Foto: Schwarzwälder-Bote

Ostern ist vorbei, und damit auch die Fastenzeit, die viele Christen

Ostern ist vorbei, und damit auch die Fastenzeit, die viele Christen genutzt haben, um für die Dauer von sieben Wochen auf Gewohntes, Bequemes und allzu lieb Gewonnenes bewusst zu verzichten. Viele haben den Alkohol weggelassen oder den Genuss von Süßem. Andere verzichteten auf Fleisch, auf den Fernseher oder das Smartphone. Manche ließen das Auto stehen und gingen zu Fuß zur Arbeit oder nahmen das Rad. Viele reduzierten ganz allgemein den Konsum, vermieden zudem nach Möglichkeit Stress, Hektik und jede Form von Getriebenheit, Unbedachtheit oder negativem Denken.

Das Fasten hat viele Gesichter. Und dass weniger oft mehr ist, dass ein weniger an Konsum die Lebensqualität steigert, das hat sich längst herum gesprochen.

Jesus hat ganz am Anfang seines Wirkens, noch bevor er irgendetwas Anderes tat, 40 Tage und Nächte lang gefastet. Und das in der Wüste! Er hat den Versuchungen des Teufels, es sich doch bequemer zu machen, widerstanden. Und er hat schließlich aus dem Fasten die Kraft gewonnen, seinen Weg der Liebe und der Versöhnung konsequent zu gehen. Es ist durchaus denkbar, dass Jesus seine Wachheit für die Sorgen, Ängste und Bedürfnisse seiner Mitmenschen nicht zuletzt diesem Fasten zu verdanken hatte.

Jeder, der auch schon einmal gefastet hat, kennt dieses überwältigende Gefühl, weit mehr als sonst aufgeschlossen, sensibel, einfühlsam und Anteil nehmend zu sein, eben hellwach – und nicht nur für sich selbst, sondern mindestens ebenso sehr für seine Mitmenschen. Christliches Fasten bezieht nämlich immer den notleidenden Nächsten mit ein.

Die Fastenzeit mag zu Ende sein, die Beweggründe dafür nicht. In Ostafrika droht auf Grund einer extremen Dürre ungezählten Menschen der Hungertod. In Deutschland hat nach dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht die Quote der Armen einen neuen Höchststand erreicht – und das trotz insgesamt angewachsenen Wohlstands. Krieg und Gewalt bestimmen die täglichen Schlagzeilen. Nicht einmal vor dem Fußball macht der Terror Halt, wie jetzt der Anschlag auf den BVB gezeigt hat. Weltweit machen sich Regime breit, die eine Entwicklung hin zu mehr Diktatur befürchten lassen. Gründe dafür, dass wir Christen, dass wir alle auch weiterhin wach bleiben sollten für die Entwicklungen auf unserer Welt, die sich nicht mit dem Willen Gottes vereinbaren lassen. Es gibt mehr als genug davon.

Was spricht deshalb eigentlich dagegen, dem Fasten nicht nur einen siebenwöchigen Platz vor Ostern einzuräumen, sondern es zu einer Dauereinrichtung unseres Lebens und unseres Glaubens werden zu lassen? Wenn Fasten bedeutet, dass wir uns wach halten dafür, wo unsere Liebe, unsere Geduld, unser Mut, unsere Vergebung und unser Einsatz gefragt sind, dann ist es mit "Sieben Wochen ohne" nicht getan. Dann ist für uns das Fasten ein "Dauerprojekt".

Das konsequenteste Verständnis vom Fasten findet sich übrigens im Alten Testament beim Propheten Jesaja, dem Gott ausrichten lässt: "Ein Fasten, wie ich es haben will, sieht anders aus: Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit und macht jeder Unterdrückung ein Ende. Ladet die Hungernden an Euren Tisch, nehmt die Obdachlosen in Euer Haus auf, gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zum Anziehen und helft allen in Eurem Volk, die Hilfe brauchen. Dann strahlt Euer Glück auf wie die Sonne am Morgen und Eure Wunden heilen schnell; Eure guten Taten gehen Euch voran und meine Herrlichkeit folgt Euch als starker Schutz" (Jesaja 58, 6 bis 8).

Das Fasten kann also auch nach Ostern weitergehen, wenn wir es möchten. Und wir können etwas dafür tun, nämlich wach bleiben – hellwach!

  Ulrich Büttner ist Pfarrer an der evangelischen Martinskirche Gechingen