Foto: Schwarzwälder-Bote

Ein Spiel im Konfirmandenunterricht. Zwei Gruppen messen sich im gegenseitigen Wettstreit.

Ein Spiel im Konfirmandenunterricht. Zwei Gruppen messen sich im gegenseitigen Wettstreit. Gruppe 1 fährt den überlegenen Sieg ein. Die Preise werden verteilt. Die Verlierergruppe erhält einen deutlich wertvolleren Preis als die Siegergruppe. Sie können sich vorstellen, welche Reaktionen das bei den Siegern hervorruft. "Ungerecht" ist noch der freundlichste Kommentar.

Und in der Tat: Nach unseren menschlichen Regeln und Maßstäben ist das zutiefst ungerecht. Die Sieger haben sich so angestrengt, gekämpft bis zum Umfallen. Und was ist der Lohn? Sie sind Erste und bekommen weniger als die Letzten. Und da soll man sich nicht ärgern?

Was im Konfirmandenunterricht noch ein Spiel ist, führt im realen Leben oft zu einer schweren Krise. Das Leben ist nicht gerecht. Das müssen wir immer wieder erfahren. Da strengt man sich an, lebt Tag und Nacht für die Firma, arbeitet wie besessen und befördert wird ein anderer. Immer wieder müssen wir Ungerechtigkeiten einstecken.

Und nun scheint Jesus, mit dem Gleichnis, das uns am Sonntag in den Gottesdiensten vielfach beschäftigen wird, noch eins draufzusetzen. Er erzählt darin die Geschichte von einem Weinbergbesitzer, der Arbeiter einstellt. Manche der Arbeiter arbeiten neun Stunden, andere sechs und wieder andere nur eine Stunde. Als der Lohn ausgezahlt wird, erhält jeder genau den gleichen Lohn – einen Silbergroschen. Es kommt, wie es kommen muss: Es wird kräftig gemurrt. Die Ersten beschweren sich. Sie sind unzufrieden: Wir haben doch mehr verdient als die Letzten!

Und es ist ja auch wahr. Wenn sich das ein Unternehmer heute leisten würde, hätte er mit Recht die Gewerkschaft am Hals.

Jesus will mit diesem Gleichnis nicht die Regeln unserer Gesellschaft aufheben. Aber er weiß auch darum, dass es immer wieder Zeiten und Bereiche unserer Existenz gibt, in denen diese Regeln eben nicht gelten.

Keiner von uns konnte sich aussuchen, dass er in einem reichen Land geboren wurde. Das haben wir uns nicht verdient. Keine kann sich ihre Begabungen oder ihr Aussehen wählen. Es ist uns gegeben, so wie es ist.

Wenn Jesus dieses Gleichnis erzählt, dann macht er damit deutlich: Auch im Reich Gottes können wir uns nichts verdienen. Da kommen wir mit unseren Maßstäben von gerecht und ungerecht, von Ersten und Letzten nicht weit. Das Reich Gottes können wir uns nur schenken lassen. Unverdient. Gottes Ja zu uns ist immer ein unverdientes Ja. Es lässt sich nicht erkämpfen und es lässt sich nicht erkaufen. Es ist Geschenk. Sein Ja gilt allen Menschen, die es annehmen wollen.

Von daher hat dieses Gleichnis Jesu für mich zwei Stoßrichtungen.

Wenn ich zu den Ersten gehöre, zu denen, die auf der Gewinnerseite des Lebens stehen, dann sagt es mir: Vorsicht! Du hast keinen Grund, dich über andere zu erheben. Sei dankbar und bleib auf dem Boden. Erste können auch ganz schnell Letzte sein.

Wenn ich zu den Letzten gehöre, zu denen, die Pech gehabt haben im Leben, zu denen die oft ungerecht behandelt wurden, dann entnehme ich daraus: Kopf hoch! Auch wenn andere vielleicht auf mich herunter sehen, bei Gott bin ich wertgeachtet. Ihm kann ich vertrauen. Er kann auch aus Letzten Erste machen, einfach so.

u Hans Georg Schmid ist Pfarrer in Neubulach