Brigitte Bernert (Bildmitte mit Anschauungsmaterial) führte eine Gruppe auch in den großen Bibliothekssaal über den Gewölben der Marienkapelle. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Erlebnistag ist für Besucher sehr lehrreich / Besuch des Bibliotheksaals ist ein besonderes Erlebnis

Von Bettina Bausch

Calw-Hirsau. Der erste Hirsauer Erlebnistag im Kloster lockte so manchen Interessierten ins idyllische Nagoldtal. Unter ihnen waren auch Michaela und Bruno Bärmann aus Titisee-Neustadt.

Das Ehepaar hatte eigens einen Tagesausflug nach Hirsau unternommen, um am Erlebnistag der Klöster die Hirsauer Anlage kennenzulernen. "Wir haben schon Maulbronn besichtigt und sind heute zum ersten Mal hierher, um das berühmte Kloster zu sehen", schmunzelte Bruno Bärmann.

Warum ist die Hirsauer Marienkapelle so besonders hoch geraten? Und warum steht im Kloster ein Schloss? Diese und viele andere Fragen wurden bei gleich drei ganz unterschiedlichen Führungen beantwortet. Die Angebote reichten vom Kennenlernen der Anlage und dem Alltags- leben der Mönche über die kulturelle Bedeutung des Hirsauer Klosters bis zur Denkmalpflege und baulichen Unterhaltung der Klosterruine.

Als Klosterführer engagierten sich an diesem Tag Edwin Kandziora, Rudolf Weisz und Brigitte Bernert. "Zwischen Himmel und Erde" lautete das Motto des neuen Erlebnistages, an dem sich 14 Klöster in Baden-Württemberg beteiligten. Da wollte auch Calw mit seinem berühmten und im Mittelalter einem der bedeutendsten Klöster nördlich der Alpen nicht nachstehen.

Architektin Bernert führte eine Gruppe durch die Marienkapelle und erklärte deren gotische Bauweise sowie ihre neugotische Überarbeitung. Ein besonderes Erlebnis hatten die Teilnehmer dann, als es eine Etage höher ging in den Bibliothekssaal der Mönche.

Der große Raum ist nur selten und aus statischen Gründen mit höchstens 20 Personen gleichzeitig begehbar. Über den Gewölben der Marienkapelle bewahrten die Mönche ihre kostbaren Bücher und Handschriften auf. "Im 16. Jahrhundert wurde hier eine einheitliche Gestaltung von Raum und Mobiliar verwirklicht", erläuterte Bernert.

Sie zeigte die originalen, riesigen offenen Schränke aus Nadelholz, die der Aufbewahrung der Bücher dienten. Erst im Jahr 2008 wurden zwei dieser großen Regale aus einer staatlichen Sammlung wieder zurückgebracht. Sie mussten nämlich im 19. Jahr- hundert gezwungenermaßen an die königlichen Kunstsammlungen in Stuttgart abgegeben worden. Besucher staunten über die reich verzierte Täferdecke mit Flach- schnitzereien mit beeindruckenden Motiven wie Wein- und Blattranken, Vögeln, Putten und springenden Hirschen. Auch das Klosterwappen und das des Abtes Johannes Hansmann sind auf Querbalken dargestellt. Dass die Mönche auch durchaus praktisch dachten, wurde dadurch deutlich, dass beim Bau der Bibliothek gleich eine direkte Verbindung zum Dormatorium (Schlafbereich) geschaffen wurde.

Große Teile des Bestandes der Hirsauer Klosterbibliothek wurden vermutlich in der Reformationszeit, im 30-jährigen Krieg und durch den Klosterbrand im Jahr 1692 vernichtet oder an andere Orte gebracht. "Der französische General Mélac hielt die Klosteranlage für ein Schloss und brannte es daher nieder", unterstrich Klosterführer Weisz. Aber trotzdem gab es im Hirsauer Bibliothekssaal im 18. Jahrhundert noch einen kleinen Bestand. Denn Pfarrer Friedrich Christoph Oetinger erhielt im Jahr 1743 vom Stuttgarter Oberkirchenrat den Auftrag, "den Vorrat verschiedener alter Bücher auf dem Kirchengewölbe" zu sichten. Damals seien jedoch nur noch 43 wertvolle Bücher und drei Handschriften vorhanden gewesen.