Die ÖPNV-Experten des Kreises Calw beim gemeinsamen "Klassen-Ausflug" im neuen VGCplus-Rufbus (von links): Andreas Krewer, Michael Stierle, Zeno Danner, Arno Ayasse, Gerhard und Helmut Maier. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

ÖPNV: Rufbus-System im Kreis Calw bereits nach einem halben Jahr erweitert / Modellprojekt mit Landesförderung

Es hatte ein bisschen etwas von einem Klassenausflug: mit einer gemeinsamen Ausfahrt im VGCplus-Rufbus nahmen die zuständigen Vertreter des Landkreises Calw und der beteiligen Kommunen und Unternehmen die erste offizielle Streckenerweiterung in Betrieb.

Kreis Calw. Wer noch bei dem Begriff "VGCplus" stutzt: Einst führte das Busunternehmen Rexer aus Calw das Rufbus-System "Centro" auf eigene Kosten im (westlichen) Kreis Calw ein – und scheiterte paradoxerweise an der extrem großen und guten Resonanz bei den Fahrgästen. Die Kosten liefen schnell aus dem Ruder, der Centro musste nach nur zwei Jahren wieder aufgegeben werden.

Mit einer "evolutionären Weiterentwicklung", so Michael Stierle, Leiter der Abteilung S-Bahn und ÖPNV beim Kreis Calw, hoben der Kreis Calw als zuständiger Verkehrsplaner sowie die Busunternehmen Rexer und BVN (Busverkehr Nagoldtal) in Kooperation mit der VGC (Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw) Anfang dieses Jahres dann das erweiterte Rufbus-System "VGCplus" aus der Taufe: mit einer Landesförderung von 850 000 Euro und weiteren 400 000 Euro des Kreises soll VGCplus bis 2019 als "Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum" den "sicheren Stundentakt" in den Berg-Kommunen des Nordschwarzwaldes sichern. Vorteile gegenüber dem gescheiterten Centro: Durch den festen Stundentakt können mehr Fahrgäste pro eingesetztem Fahrzeuge "konsolidiert" werden – die einzelnen Fahrten rechnen sich besser. Und es wird für die Fahrgäste kein Preis-Aufschlag mehr für den Rufbus fällig, die normalen VGC-Tarife finden auch im VGC-Plus ihre Anwendung.

Bad Teinach und Neubulach neue Ziele

Bei der illustren Probe-Ausfahrt der VGCplus-Vertreter zeigte Nahverkehrsplaner Andreas Krewer wie es richtig geht mit dem neuen Rufbus: In Internet unter www.vgc-online.de hatte er ganz normal die Rufbus-Fahrt ab ZOB Calw angemeldet; er hätte auch beim zentralen Callcenter von VGCplus (Telefon 07051/96 88 55) anrufen können, um die Fahrt zu buchen. Abfahrt der in diesem Fall zuständigen Linie 635: 14.30 Uhr, mit dem Ziel Bad Teinach und Neubulach – denn die sind seit Anfang des Monats neu zum VGCplus-Netz dazugekommen. Macht drei Zonen und 3,20 Euro für den Einzelfahrschein; hätt’ jemand Netz- oder Monatskarten des VGC, wären die voll gültig.

Die neu hinzugekommenen VGCplus-Ziele Bad Teinach und Neubulach ergänzen bereits nach nur einem halben Jahr Rufbus das bisherige VGCplus-Angebot zwischen Bad Wildbad-Calmbach, Altburg und Altensteig, das bei der Resonanz der Fahrgäste bereits alle Erwartungen erfüllt und (auch den Centro weit) übertroffen habe. Am Steuer der Linie 635 sitzt heute Gerhard Maier höchst persönlich, der Senior des Busunternehmens Teinachtal-Reisen aus Neubulach, das die jetzige VGCplus-Streckenerweiterung künftig mit seinen Fahrzeugen betreuen wird. Auch Firmen-Junior Helmut Maier ist natürlich mit dabei, um die kleine Promi-Ausfahrt zu begleiten. Erster Zustieg: in Bad Teinach, Badstraße – auf Höhe der Rathausstraße – wo sogar noch ein altes Centro-Schild an der Haltestelle hängt. Hier steigt Bad Teinach-Zavelsteins Bürgermeister Markus Wendel zu, begrüßt per Handschlag vom neuen ersten Landesbeamten des Kreises Calw, Zeno Danner, der die Tour auch für ein bisschen Sightseeing im neuen Wirkungsgebiet nutzt.

Wobei Busfahrer Maier-Senior jetzt für die weitere Route ein Manöver fährt, das "ich nicht gesehen" habe, wie ÖPNV-Oberaufseher Stierle mit einem Hauch scherzhafter Verzweiflung in der Stimme anmerkt: der Lenkrad-Routinier Maier setzt rückwärts in eine Einfahrt, um so kurzerhand sein Fahrzeug um 180-Grad zu drehen – soll es doch jetzt direkt nach Neubulach gehen, auch die dortige Bürgermeisterin Petra Schupp noch abzuholen. Der Zufall will’s, dass just auch ein Polizeiauto vorbei fährt und Zeuge der gewagten Wende-Aktion wird – eine Schrecksekunde lang halten alle im Rufbus den Atem an. Aber der silber-blaue Dienstmercedes auf Streife fährt unbeeindruckt vorbei. Das Gelächter der "Klassenfahrt" ist groß, die Stimmung immer aufgeräumter.

Sechs Tage die Woche verlässlicher Stundentakt

Mit Bürgermeisterin Schupp an Bord geht es schließlich zum gemeinsamen Bahnhof Bad Teinach-Neubulach, wo der VGCplus Anschluss an die Kulturbahn hat. Ein echter Gewinn für den Tourismus im und oberhalb des Teinachtals, wie das Bürgermeister-Duo Schupp und Wendel gemeinsam unterstreicht. Gerade die Hotelgäste in ihren Orten könnten von dem flexiblen, sicheren und im Vergleich zum eigenen Auto günstigen neuen Mobilitäts-Angebot profitieren. Zumal mit der jetzt erfolgten Streckenerweiterung von VGCplus das Angebot im gesamten Netz auch auf die Samstage ausgeweitet wurde: also sechs Tage die Woche verlässlicher Stundentakt im Rufbus. Da will’s ein weiterer Zufall, dass just bei Ankunft der Promi-Fahrgäste die Bushaltestelle am Bahnhof Teinach-Neubulach vom Fensterputzer fachmännisch gereinigt und auf Hochglanz poliert wird. Verabredet sei das nicht gewesen. Aber heute stimmt halt irgendwie alles.

Bleibt die Frage: wird VGCplus wieder nur ein Modell bleiben – wie der Centro? Schließlich läuft die Landesförderung ja im Jahr 2019 wieder aus. Amts-Chef Michael Stierle schüttelt den Kopf: "Es ist erklärter Wille des Landkreises und des Kreistags, dieses Angebot auch über 2019 hinaus zu verstetigen" – soll heißen: VGCplus ist das ÖPNV-Konzept der Wahl im Kreis Calw, mit dem die ländlichen Kommunen auf Dauer an das übergeordnete Verkehrsnetz angeschlossen werden. Und jedem hier ist bewusst, dass dahinter auch ein echter Paradigmenwechsel der Politik steckt: denn VGCplus als verlässlicher Rufbus ist dafür geeignet, Individual-Verkehr komplett und dauerhaft zu ersetzen. Und zum Beispiel Zweit-Autos in den privaten Haushalten des ländlichen Raums überflüssig zu machen. In der Heimat des "heilig Blechle" eine wirkliche Neuausrichtung der gesamtgesellschaftlichen Mobilitäts-Planung – denn "Modell-Projekt" heißt: Das VGCplus-Konzept aus dem Kreis Calw soll dereinst Vorbild werden fürs gesamte Land. Und überall zumindest Zweitwagen überflüssig machen.