Auf Verspätungen von Linienbussen weisen diese Anzeigetafeln seit einiger Zeit hin. Foto: Gedeick Foto: Schwarzwälder-Bote

Nahverkehr: Gisela Volz verteidigt Einführung des Echtzeit-Informationssystems

Calw. Mit der Installierung eines Echtzeit-Systems, das Fahrgäste über Verspätungen im Landkreis Calw informiert, erntete die Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw (VGC) Kritik. Die Vorwürfe: Das System sei technisch noch nicht ausgereift und reiner Luxus auf Kosten des Steuerzahlers. VGC-Geschäftsführerin Gisela Volz stellt sich nun noch einmal explizit hinter das Projekt und unterstreicht: "Es geht um den Anschluss an die Modernität. Wir müssen unglaublich aufpassen, dass wir nicht abgehängt werden. In zehn Jahren wird niemand mehr ohne diese Technik unterwegs sein."

Prominenter hätte das Echtzeit-System kaum eingeweiht werden können: Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) höchstpersönlich kam Ende August nach Calw, um die sieben Monitore am ZOB symbolisch in Betrieb zu nehmen. Dort können Fahrgäste seither sehen, ob die Linienbusse pünktlich in Calw ankommen und abfahren. Das Prinzip: Die nun mit GPS-Technik ausgerüsteten VGC-Busse übertragen permanent ihren Standort an das Echtzeit-System, das dadurch eine mögliche Verspätung ausrechnen kann und diese dann an den Monitoren am Calwer Bahnhof anzeigt.

Allerdings werden die Daten bislang nur an den Monitoren angezeigt. Per Smartphone kommt der Fahrgast noch nicht an die Informationen, da die VGC keine eigene App besitzt und die elektronische Fahrplanauskunft Baden-Württemberg (EFA BW) die Daten aufgrund technischer Probleme derzeit nicht verarbeiten kann.

Der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS), an dessen Technik die VGC mit ihrem Echtzeit-System andockt, und die Bahn sind da schon einen Schritt weiter. Beide informieren ihre Fahrgäste mit ihren Echtzeit-System bereits seit Jahren über Verspätungen – auch im Kreis Calw. Die Bahn macht dies nicht nur auf dem Smartphone, sondern auch über ihre Fahrkartenautomaten, an den Bahnsteigen und per Lautsprecherdurchsagen. Und in den Linienbussen, die vom Kreis Calw zu den S-Bahn-Stationen im Kreis Böblingen fahren und als VVS-Linien geführt werden, waren die Echtzeit-Informationen bereits vor der Einführung des Calwer Echtzeit-Systems verfügbar – nämlich über den VVS. Neu ist nun, dass Fahrgäste über Verspätungen jener Linienbusse informiert werden, die innerhalb des Landkreises fahren. Sobald eine VGC-App existiert, auch per Smartphone.

Das Problem soll bald behoben sein, kündigt Geschäftsführerin Volz an. Ziel sei es, bis Ende des Jahres eine VGC-App auf den Markt zu bringen – und dann erreiche der Nahverkehr im Kreis Calw eine neue Epoche. Denn bis jetzt habe Volz das Gefühl, wenn sie aus den beiden benachbarten Verkehrsverbünden VPE (Pforzheim/Enzkreis) und VVS in den Kreis Calw komme, "im Zeitalter davor zu landen". Die VGC-Geschäftsführerin ist sich sicher: "Kein Kunde versteht diese digitale Grenze."

Zwar räumt Volz ein, eine ganz andere Frequenz als der VVS mit seinen 1,2 Millionen Fahrgästen am Tag zu haben. "Wir haben viel Fläche und wenig Einwohner", sagt die VGC-Chefin. Das allerdings sei kein Argument gegen die Einführung des Systems, das das Land Baden-Württemberg mit 215 000 Euro und der Landkreis Calw mit 110 000 Euro finanziert hat. Insgesamt gibt das Land für die Echtzeit-Einführung in Calw und Göppingen über sein Namoreg-Programm 690 000 Euro aus, um sie mit dem VVS-System zu verbinden.

"Die Lücke wird immer größer", warnt Volz vor einem Auseinanderdriften von städtischen und ländlichen Regionen – und merkt an, dass die neuen Monitore am Calwer Bahnhof auch optisch etwas hermachen würden: "Ich habe jetzt das Gefühl, an einer richtigen Drehscheibe zu sein."

Anschlusssicherung geplant

Rein um Optik und Fahrgastinformation gehe es der VGC-Geschäftsführerin jedoch nicht. In einem nächsten Schritt soll das Calwer Echtzeit-System eine Anschlusssicherung garantieren. "Der Kunde hat dann die Sicherheit", erklärt Volz. Heißt: Am Calwer ZOB wartende VGC-Linienbusse werden über das System über die möglicherweise verspätete Ankunft anderer VGC-Busse informiert. Abhängig davon, wie groß die Verspätung ist, könne dann entschieden werden, ob der wartende Bus trotzdem auf Fahrgäste wartet, die umsteigen möchten.

Diese VGC-interne Kommunikation sei laut Volz ohne das Echtzeit-System so nicht möglich.

 Der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) stand bei der Entwicklung des Calwer Echtzeit-Systems Pate, zumal der VGC an sein System andockt. VVS-Geschäftsführer Thomas Hackenberger lobt: "In diesem Projekt konnten wir zeigen, dass es möglich ist, auch über Verbundgrenzen hinweg Echtzeit-Informationen zu generieren und an die Fahrgäste ausgeben zu können." Zwar räumt der VVS auf Nachfrage unserer Zeitung ein, dass der Fahrgast aufgrund technischer Probleme bei der EFA BW momentan gar nicht an die Informationen komme. VVS-Pressesprecherin Pia Karge betont jedoch: "Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg arbeitet daran, so dass die Daten so rasch wie möglich wieder den Fahrgästen zur Verfügung stehen."

 Der Fahrgastverband Pro Bahn spricht von "Kinderkrankheiten", mit denen das Calwer System noch zu kämpfen habe. "Schade, dass solche Sachen nicht auf Anhieb funktionieren", meint der baden-württembergische Sprecher Stefan Buhl und merkt an: "Für den Fahrgast ist es immer gut, wenn er durchgehend Informationen hat. Ob dieser eine Schritt das Geld wert ist, kann ich aber nicht beurteilen."

 Wortkarg gibt sich die für Baden-Württemberg zuständige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, die seit Anfang des Jahres in Berlin sitzt. Dort heißt es ganz allgemein: "Grundsätzlich liegt es im Verantwortungsbereich eines jeden Fahrgastes, seine Reise so zu kalkulieren, dass er genug Zeitpuffer hat."

 Der Bund der Steuerzahler hat am 1. September angekündigt, das Echtzeit-System der VGC zu bewerten. Dies werde geschehen, sobald eine entsprechende Stellungnahme der VGC beim Bund der Steuerzahler vorliege.