Politik: Tobias Endler und Martin Thunert halten bei Volkshochschule einen Vortrag über Politik in den USA

Calw. Fröhlich grinst die kleine Figur des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama in die Runde beim Volkshochschul-Vortrag über die politische Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika. Grund zur Freude hat das reale Vorbild derzeit wohl eher wenig – hat doch gerade der Kandidat die Präsidentschaftswahl gewonnen, vor dem Obama gewarnt hatte: Der Republikaner Donald Trump.

Knapp eineinhalb Jahre lang hat der US-amerikanische Wahlkampf die Menschen beschäftigt und weltweit hohe Wellen geschlagen. Mit der Entscheidung habe wohl dennoch kaum jemand gerechnet, meint Tobias Endler. Er und Martin Thunert, beide tätig am Heidelberg Center for American Studies, waren in der Volkshochschule zu Gast, um auf die Ära Obama zurückzublicken und dessen Nachfolger Trump unter die Lupe zu nehmen. Sie bezogen sich dabei unter anderem auf ihr gemeinsam geschriebenes Buch "Entzauberung. Skizzen und Ansichten zu den USA in der Ära Obama."

So ein Bauchgefühl

"Ich hatte so ein Bauchgefühl, dass es knapp werden könnte, aber wegen der Umfrageergebnisse habe ich es verdrängt", gibt Thunert zu. Im Nachhinein habe es Vorzeichen gegeben, die man richtig hätte deuten müssen: Beispielsweise wären auf Versammlungen des Republikaners immer weit mehr Menschen gewesen, als auf denen der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton. "Trotzdem hat es nur eine einzige Umfrage gegeben, die ansatzweise ergeben hat, dass Trump gewinnen könnte", so Thunert.

Hillary Clinton habe im Wahlkampf schwere Fehler begangen und Trump damit den Sieg ermöglicht, sind sich die beiden USA-Experten einig. "Sie war sich zu sicher in den Staaten, in denen traditionell die Demokraten gewählt werden", kritisiert Endler. "Sie war zum Beispiel seit Monaten nicht mehr in Wisconsin – schließlich hat sie dort auch verloren." Trump hingegen sei ständig herumgereist, gerade in die Staaten, in denen seine Chancen anfangs gering waren. "Clinton hat außerdem die Vorurteile ihr gegenüber bestätigt: Sie hat nur scheibchenweise Informationen herausgegeben, ist steinreich und schon lange in Washington", zählt Endler auf. "Als sie in einer U-Bahn Station in New York City war, wusste sie nicht einmal, wie man durch das Drehkreuz durchkommt", sagt er. "So was mögen die Leute nicht."

Auch der derzeit noch amtierende Präsident Obama habe polarisiert, weiß Thunert. "Bei Umfragen nach dem besten Präsidenten rangiert er ganz oben, bei der Frage nach dem schlimmsten ist er auch auf Platz zwei", fügt er hinzu. Auf kaum einem US-amerikanischen Präsidenten habe jemals so eine Erwartungshaltung gelastet. Dass er das nicht alles umsetzen könne, sei eigentlich klar gewesen, führt Thunert aus.

Riesiger Erfolg

Dennoch wurde unter Obama die Homo-Ehe erlaubt sowie die Gesundheitsreform in Angriff genommen. Beim Thema Klimawandel habe es Obama geschafft, dieses Problem den Amerikanern wenigstens präsent zu machen. Auch außenpolitisch habe das Klimaabkommen Relevanz, zudem sei unter dem ersten dunkelhäutigen Präsidenten der USA der Terrorist Osama bin Laden getötet worden – für die Amerikaner ein riesiger Erfolg. Die Rassenkonflikte im Land seien während seiner Amtszeit aber eher schlimmer geworden, genauso der vorherrschende "Kampf der Mittelschicht", und auch die Beziehungen zu Russland hätten sich verschlechtert.

"Sein Ansehen ist 2013 und 2014 gesunken, wird aber zum Ende seiner Amtszeit wieder steigen", ist sich Thunert sicher.

Den Multi-Milliardär Trump habe dagegen lange Zeit kaum jemand Ernst genommen, sagt Endler. "Das hat jetzt ernste Konsequenzen." Bei einer Prognose, was man von dem Immobilien-Mogul in den nächsten Jahren zu erwarten hat, tun sich auch die beiden Experten nicht leicht. "Trump ist schwer beratbar", meint Thunert. Lediglich eine Handvoll Personen, unter anderem der Gatte seiner Tochter Ivanka, seine Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway, sein Chef-Stratege Steve Bannon und der designierte Vizepräsident Mike Pence gehörten zu seinen Vertrauten. Man werde sich gedulden müssen und abwarten, wie sich der 45. Präsident der USA schlagen wird.

"Falls sie sich noch von Obama verabschieden wollen – nur zu", zeigt Thunert schmunzelnd auf die grinsende Figur. Eine Spur der Unbekümmertheit des Plastik-Präsidenten hätte wohl momentan jeder gerne.