Cannabis-Plantage entdeckt. Bereits auf Bewährung. Therapie bislang ohne Erfolg.

Tübingen/Bad Liebenzell - Er wolle "reinen Tisch machen", endlich "das alles hinter mir lassen". Das muss er wohl auch, der 23-Jährige aus Bad Liebenzell, der sich vor der ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Tübingen wegen Drogenhandels im ganz großen Stil und Waffenbesitz verantworten muss.

"Wir sehen solch einen jungen Menschen wie Sie nicht oft hier auf der Anklagebank", so der Vorsitzende Richter an den Angeklagten gewandt. Die Lage sei sehr ernst, die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben würden, seien "keine Lappalie": Bei einer Razzia im Mai dieses Jahres wurden bei dem Angeklagten in einem angemieteten Kellerraum in Althengstett eine Cannabis-Plantage entdeckt, in seiner Liebenzeller Wohnung zudem erhebliche Mengen verschiedener Rauschgifte: rund 11500 "Konsumeinheiten" THC, der Wirkstoff von Cannabis, sowie gut 3800 Konsumeinheiten Amphetamin. In Kombination mit Waffenbesitz, der ebenfalls in der Anklageschrift steht, drohen dafür eigentlich mindestens fünf Jahre Gefängnis.

Wie bei der Anklageverlesung vor drei Wochen angekündigt, gab der Richter dem 23-Jährigen aber noch einmal ausgiebig Gelegenheit, sich zu seiner Person und zu den Vorwürfen zu erklären – was dieser diesmal auch tat. Seine sicherlich letzte Chance, wie während des zweiten Verhandlungstages klar wurde, denn bereits 2012 wurde er vom Amtsgericht Calw wegen Drogenhandels und -konsums zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Nach Absolvieren einer Therapie wurde diese Strafe aber 2014 ausgesetzt. Kurz danach, so erzählte der Angeklagte nun voll geständig, begann dann allerdings auch schon seine neue Drogen-Karriere.

In der Arbeitslosigkeit stieg der Konsum

Mit 16 Jahren habe er das erste Mal Cannabis geraucht, das war kurz vor Ende seiner Ausbildung – die er aber noch erfolgreich abschloss. Ab da habe er Drogen regelmäßig konsumiert. Um sich die Sucht zu finanzieren, habe er das erste Mal angefangen, Cannabis selbst anzubauen. Damals wohnte er in einer Wohngemeinschaft in Althengstett. Er fing eine zweite Ausbildung an. Diese Lehre brach er aber nach nur zwei Monaten ab. Es folgten verschiedene Jobs, meist Zeitverträge, Mini-Jobs, nichts mit einer dauerhaften Perspektive. Dann längere Arbeitslosigkeit, in der der Drogenkonsum stetig wuchs: Er habe in dieser Zeit so ziemlich alles konsumiert, neben Cannabis (Hanf, Marihuana, "Gras") auch Haschisch (das Harz der Hanf-Pflanze), Pilze, LSD, "einmal Kokain".

Nach seiner ersten Verurteilung und der anschließenden, eigentlich erfolgreichen Therapie gelang es ihm nicht wieder Fuß zu fassen. Er wohnte wieder zuhause bei den Eltern in Bad Liebenzell, "richtige Jobs" wollten sich nicht finden lassen.

Bei einem Grillfest zu seinem Geburtstag 2015 passierte es dann: Er rauchte wieder ein bisschen Gras, setzte ab da seine Drogen-Karriere fort, fasste nach einer Reise nach Holland den Plan, wieder mit dem Anbau zu beginnen, um sich seinen neu – und diesmal noch stärker wachsenden – Drogenkonsum zu finanzieren. Zum Schluss habe er bis zu zehn Gramm Cannabis am Tag geraucht, dazu zwei bis vier Amphetamin-Tabletten zu sich genommen.

Aber er hat eben auch mit diesen Drogen gehandelt, meist "draußen auf der Straße" an den einschlägigen Orten in Weil der Stadt und Calw. Seine Waffen, so der Angeklagte auf die Nachfrage des Richters, habe er "draußen" nie dabei gehabt: Das gefundene Butterfly-Messer habe er für das Zerkleinern der Drogen benutzt – wie von der Spurensicherung gefundene Amphetamin-Anhaftungen bestätigten, so der Pflichtverteidiger ergänzend. Die ebenfalls bei ihm gefundene, in einem Safe verwahrte Schreckschusspistole habe er für Silvester gekauft und auch nur dann benutzt. Womit, wenn ihm das Gericht glauben sollte, der schwerste Tatvorwurf in diesem Fall aus der Welt geschafft sein könnte – Drogenhandel eben unter Einsatz von Waffen.

Hintermänner will er doch nicht nennen

Wo er schon soweit geständig sei, ermutigte Staatsanwalt Nicolaus Wegele den Angeklagten, "doch die Hosen richtig runter zu lassen". Er solle auch die Namen von Lieferanten, Dealer-Kollegen, Hintermännern nennen, um "weitere Bonuspunkte hier vor Gericht zu sammeln". Denn, so Wegele, Auswertungen von verschiedenen Handys und dem Email-Verkehr hätten "erhebliche Anhaltspunkte" dafür ergeben, dass der 23-Jährige schon vor dem Aufbau seiner Althengstetter Cannabis-Plantage ab Januar dieses Jahres, also im Verlauf des vergangenen Jahres, "Drogen in erheblichen Umfang von Dritten bezogen und gehandelt" habe.

Doch so weit mochten der von diesem Ansinnen völlig überraschte Angeklagte und sein Pflichtverteidiger diesmal noch nicht gehen. Am 8. Dezember soll das Urteil verkündet werden.