Freuen sich mit Michael Jerry (von links): Guido Richert, Ulrike Heiliger, Sebastian Steinbach, Annette Scheer und Pflegedienstleiterin Gertrud Alberts. Foto: Hölle Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Michael Jerry wird erster Auszubildender mit dunkler Hautfarbe im Hirsauer Haus Nagoldtal

Michael Jerry war der erste Praktikant im Haus Nagoldtal mit dunkler Hauptfarbe. Und er wird auch der erste Auszubildende im Hirsauer Pflegeheim mit dunkler Hautfarbe sein.

Calw-Hirsau. Heimleiter Guido Richert spricht in diesem Zusammenhang von einer Erfolgsgeschichte. An der mehrere Personen mitgeschrieben haben. Eine maßgebliche Rolle hat aber der evangelische Pfarrer von Hirsau, Sebastian Steinbach, gespielt.

Keine Perspektive

Jerry wuchs in Nigeria als katholischer Christ auf. Sein Vater war führendes Mitglied in einer okkulten Vereinigung. Weil er nicht dessen Nachfolger werden wollte, gab es Todesdrohungen gegen ihn. Er kam bei der Schwester der Mutter unter. Als diese bei einem Anschlag, den die Terrorgruppe Boko Haram verübte, ums Leben kam, beschloss er, im benachbarten Niger sein Glück zu versuchen. Dort sah er aber keine Perspektive, wie auch in Libyen nicht. Als in diesem Land der Bürgerkrieg ausbrach und er als Schwarzer vogelfrei war, versuchte er im Juli 2014 nach Italien überzusetzen. Ein Rettungsboot griff ihn auf.

Knapp ein Jahr lebte Jerry in Italien – ohne Arbeit und auch hier ohne Perspektive. Da beschloss er, sich nach Deutschland aufzumachen. Mit dem Zug kam er im Juli 2015 über Österreich nach München. Im dortigen Asylzentrum wurde er registriert. Karlsruhe, Heidelberg und Altshausen, wo er noch registriert ist, waren die weiteren Stationen. Seit Längerem jedoch wohnt der heute knapp 26-Jährige schon bei der Familie Heiliger in Ernstmühl.

Dass das so ist, dafür hat der Hirsauer Pfarrer gesorgt. Jerrys Halbbruder Theophilus kannte dieser aus der Wimbeger Asylbewerber-Unterkunft. Von ihm wusste er, dass auch er ein begnadeter Musiker ist. Und als Steinbach auf dem Wimberg einen Gottesdienst zum Thema Flüchtlinge vorbereitete, wollte er unbedingt, dass Flüchtlinge diesen musikalisch umrahmen. So kam Jerry hierher. Untergebracht wurde er bei der Familie der Kirchengemeinderätin Ulrike Heiliger.

Ans Herz gewachsen

Der Schwarzafrikaner wuchs dem Geistlichen schnell ans Herz. Als er von einem Programm hörte, laut dem der Kreis Calw angeblich Flüchtlinge in die Altenpflege bringen will, setzte er alles in Bewegung, um Jerry so eine Tür zu öffnen. Steinbach musste bei den unteren Behörden in Altshausen manch dickes Brett bohren. In Calw fand er mehr Verständnis für sein Anliegen. Im Haus Nagoldtal war man bereit, es mit Jerry zu versuchen. Im Februar absolvierte er hier ein mehrwöchiges Praktikum. Die anfängliche Skepsis, die man bei der Leistung wegen seiner Hautfarbe hatte, war schnell verflogen. Der Praktikant kam bei allen an, vor allem bei den Bewohnern.

Jetzt galt es die nächste Hürde zu nehmen, aus dem Praktikums- sollte ein Ausbildungsplatz werden. Und so kam Annette Scheer, die Leiterin des Diakonischen Instituts für Soziale Berufe, Berufsfachschule für Altenpflege in Calw ins Spiel.

Jerry hatte inzwischen ganz anständig Deutsch gelernt. Die entsprechenden schulischen Voraussetzungen hat er aus seinem Heimatland mitgebracht. "Er ist motiviert, familiär untergebracht und wird auch durch Pfarrer Steinbach betreut", so Scheer. Die dreijährige Ausbildung zum Krankenpfleger werde für ihn zwar nicht leicht. Aber er bekomme seine Chance.

Am 1. Oktober beginnt die Ausbildung in der Schule. Danach geht es zwischen Theorie und Praxis im Haus Nagoldtal hin und her. Gastmutter Ulrike Heiliger ist sich sicher, dass es Jerry schaffen wird. Wie er es auch geschafft hat, die Heimbewohner und die Ernstmühler Einwohner mit seiner offenen Art für sich zu gewinnen.