Nicht nur sie ist stolz auf ihre Leistung: Ana Paula da Silva mit ihrem Abschlusszeugnis. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Die gebürtige Portugiesin Ana Paula da Silva startet – spät, aber nicht zu spät – durch / "Zurück in den Job" macht Schulabschluss möglich

Von Simone Heinzelmann

Calw. "Es ist nicht zu spät", sagt Ana Paula da Silva. In gewisser Weise scheint dieser Satz auch das Lebensmotto der 53-Jährigen zu sein. Denn manches dauert im Leben der gebürtigen Portugiesin etwas länger – doch zu spät ist es, wie sie selbst sagt, nicht.

Mit 53 Jahren hat Ana Paula da Silva den Hauptschulabschluss gemacht. Das war für sie der Durchbruch nach langen Jahren, in denen sie für ihre Selbstbestimmung gekämpft hat. Nun ist sie ihrem großen Traum von einem Beruf, der sie erfüllt, ganz nahe. Der Wandel kam für Ana Paula da Silva, als sie an dem Programm "Zurück in den Job" von Diakonie und Erlacher Höhe teilnahm, das mittlerweile beendet ist.

Ana Paula da Silva wurde in Portugal geboren und hat als Kind in Lissabon gelebt. Doch als ihre Eltern der Arbeit wegen nach Deutschland zogen, wurde die kleine Familie auseinandergerissen. Daher waren Ana Paula da Silva und ihre Schwester glücklich, als sie Mama und Papa zwei Jahre später nach Nordrhein-Westfalen folgen durften. Da war Ana Paula da Silva sieben Jahre alt. Und sie konnte kein Wort Deutsch. Sie musste in die Schule. "Aber ich habe gar nichts verstanden", erzählt sie. Sie sei die einzige Ausländerin gewesen, habe sich fremd und verloren gefühlt, ohne Hilfe und Unterstützung. Es kam, wie es kommen musste: "Ich bin sitzengeblieben." In den Jahren darauf biss sie sich durch – bis zur siebten Klasse. "Aber es war immer knapp." Für die junge Frau gab es dann nur eines: nichts wie weg aus der Schule und arbeiten. Geld verdiente sie von da an in der Fabrik, für die auch ihre Mutter tätig war.

Doch als Ana Paula da Silva 17 Jahre alt war, gingen ihre Eltern zurück nach Portugal. Mit dabei: die 17-Jährige, ihre Schwester und die beiden in Deutschland geborenen Brüder. Da sie nichts gelernt hatte, arbeitete die junge Frau überall da, wo sie etwas verdienen konnte, ob in einer Uhrenfabrik oder in einem Café als Bedienung.

Mit 27 Jahren lernte Ana Paula da Silva ihren künftigen Mann kennen, mit 35 heiratete sie ihn und als sie 39 Jahre alt war – spät, aber nicht zu spät – kam endlich das lang ersehnte erste Kind zur Welt: Diana. Drei Jahre später wurde Ana Paula da Silva wieder schwanger, doch es kam zu Problemen in der Beziehung. Als das zweite Kind geboren wurde, war die damals 42-Jährige trotzdem voller Freude. Aber die Beziehung zu ihrem damaligen Mann war zerrüttet. Er habe sie nicht gut behandelt, so Ana Paula da Silva über die Eskapaden des Mannes, von dem sie sich schließlich trennte. "Ich konnte das nicht mehr aushalten." Zunächst kamen sie und ihre beiden Kinder bei ihren Eltern unter. Sie war vollkommen mittellos. "Mein Mann hatte das ganze Geld", erzählt sie. Sie ging aufs Amt, aber "niemand half". Sie habe in Portugal keine Zukunft für sich und ihre Kinder gesehen. Also beschloss sie: "Wir gehen nach Deutschland."

Mit ihren beiden Töchtern zog Ana Paula da Silva nach Calw. Sie versuchte wiederum, über Ämter Hilfe zu bekommen. "Aber wir kamen nicht miteinander klar", sagt die heute 53-Jährige. Erst bei der Diakonie sprach man sozusagen "ihre Sprache", und die Mitarbeiter halfen Ana Paula da Silva dabei, wieder auf eigenen Füßen zu stehen. "Aber Putzen ist nicht mein Traumjob", sagt sie mit Verweis auf die Tätigkeiten, mit denen sie sich über Wasser hielt.

Als sie von dem Programm "Zurück in den Job" mit Bewerbertraining und psychosozialer Beratung hörte, bewarb sie sich. Sie machte ein Praktikum in der Altenpflege. "Das war voll mein Ding", erzählt Ana Paula da Silva begeistert. "Alle dachten, ich arbeite da schon lange." Doch bleiben konnte sie nicht. Denn ihr fehlte der Schulabschluss. "Dabei wollte ich so gerne Krankenschwester oder Altenpflegerin werden." Und dann wagte sie dank des Programms "Zurück in den Job" den großen Schritt: Sie machte mit 53 Jahren – spät, aber nicht zu spät – den Hauptschulabschluss.

Ein "toller Lehrer" brachte ihr in nur vier Monaten alles bei, was sie für den Schulabschluss wissen musste. "Mein Kopf wachte langsam auf", so da Silva lachend. Sie habe gelernt, wann immer sie Zeit fand. "Meine Küche sah aus wie ein Büro." Und schließlich überraschte sie ihre Töchter und ihre Freunde mit der Nachricht: "Bestanden!"

Jetzt will sie im nächsten Jahr mit der Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen und möglichst die Zeit bis dahin als Pflegehelferin überbrücken. Bei ihrer Bewerbung hat sie Hilfe – natürlich von der Diakonie. "Die werden mich gar nicht mehr los", witzelt Ana Paula da Silva. Und ernst fügt sie hinzu: "Wenn jemand ein Problem hat, kann er sich an die Diakonie wenden. Die helfen." Aber natürlich müsse man auch selbst etwas beitragen: "Wenn man etwas will und wirklich überzeugt ist, dann kriegt man das auch hin", sagt Ana Paula da Silva. Dafür ist es nicht zu spät.