Seinen Geldautomat hat siebenjährige Alex ganz alleine entworfen und zusammengebaut. Die beiden Betreuer, die er dabei beschäftigt, sind lediglich seine "Software". Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Ansonsten ist fast alles wie in der Welt der Erwachsenen

Von Axel H. Kunert

Calw. Sommerzeit – Ferienzeit. Alle zwei Jahre bedeutet das auch: Mini-Calw öffnet seine Pforten. Dieses Jahr zum achten Mal. Und dieses Mal auf dem Gelände der Kreisverkehrsschule zwischen Calw und Hirsau. Für die, die dabei sein dürfen, ist die Spielestadt ein echter Höhepunkt, der sich tief in die Erinnerung einbrennt.

"Wer Mini-Calw erlebt hat – egal ob als Kind und Bewohner, oder als Betreuer – der vergisst das seinen Lebtag nicht mehr", hat Jochen Brendle beobachtet. Der Leiter des Stadtjugendreferats ist zusammen mit seinem fünfköpfigen Team verantwortlich für Organisation und Durchführung der großen kleinen Mitmach-Spielestadt für Kinder von sechs bis zwölf Jahren. Unterstützt werden Brendle und seine Leute während der heißen Phase von insgesamt 38 Betreuern – meist Jugendliche ab 14 Jahre, die früher selbst als "Bewohner" von Mini-Calw dabei waren und hier zumindest ein Teil ihrer Ferien verbracht haben. Brendle: "Ab 14 Jahren kann man bei uns als Assistent der Betreuer dabei sein, Betreuer selbst müssen mindestens 16 Jahre alt sein."

Für die jeweiligen Jugendlichen ebenfalls eine willkommene Ferienbeschäftigung, die einfach unendlich viel Spaß bringt. Hinzu kommen in der Betreuung der bis zu 140 Kinder in jeder der drei Ferienwochen, die Mini-Calw jeweils stattfindet, eine Reihe von angehenden Erziehern und Erzieherinnen, die hier ihr Pflicht-Ferienpraktikum absolvieren.

Finden kann man die Betreuer während der heißen Phase von Mini-Calw aufgeteilt auf die rund 30 "Betriebe", in denen sich die Kinder die "Erwachsenenwelt" ein Stückweit erschließen. Wie Alex (sieben Jahre), der als Mitarbeiter der Mini-Calw-Schreinerei gerade im Auftrag der Mini-Calw-Bank einen eigenen Geldautomaten entwickelt hat und zusammenbaut. Wichtigstes Utensil: "Mein Akkuschrauber, mit dem hab’ ich alles zusammengeschraubt."

Der Geldautomat ist hochmodern mit Spracheingabe – als Mikrofon wurde dafür ein ausrangiertes Küchensieb umfunktioniert. Und für die Eingabe der PIN wird flugs ein Taschenrechner des Jugendreferats umgebaut und am prächtig bemalten Gehäuse des Geldautomaten befestigt. Mit dem Akkuschrauber natürlich.

Die "Technik", mit der später die Kinder ihre in den Betrieben hart verdienten "Flocken" mit Hilfe des nagelneuen Geldautomaten ausbezahlt bekommen können, überlässt Alex in der Bank arbeitenden Mini-Calwern. "Das spart Energie. Und schafft bezahlte Arbeit", erläutert er. "Flocken" ist in diesem Jahr der Name der eigenen Währung von Mini-Calw. In den Vorjahren gab es "Mäuse", "Kohle" oder "Kies".

"Das ist kindlich kreative Wirtschaftslogik, die noch nicht von Effizienz und Wettbewerb, sondern von der Kooperation – dem echten Miteinander – lebt", sagt Brendle. Denn: "Natürlich gibt es einen pädagogischen Ansatz für Mini-Calw. Wir möchten auf genau diese Weise das Demokratieverständnis der Kinder fördern." Und ganz nebenbei die vernetzte Realität eines echten Stadtgefüges kindgerecht erlebbar machen.

Entsprechend gibt es ein Rathaus, echte Wahlen zum Bürgermeister, ein selbst formuliertes Stadtrecht, sogar ein eigenes Steuersystem mit 30 Prozent Einkommensteuer auf die verdienten "Flocken". Eben eine perfekt funktionierende Modell-Kommune.

Nur eines haben Brendle und sein Team wieder abgeschafft: Neben der eigenen Mini-Calw-Feuerwehr und dem eigenen Sanitätsdienst gibt es keine Polizei mehr in Mini-Calw. "Da gab es doch immer wieder zu viele Probleme mit Autoritätsmissbrauch", gibt der Stadtjugendpfleger schmunzelnd zu. Aber es habe sich gezeigt: Im Mini-Calw der Kinder funktioniere es mit der für ein solch aufwändiges Projekt notwendigen Disziplin auch ohne "staatliche Gewalt".