Marlis Bodamer sechs Wochen vor ihrem Tod an ihrem Klavier, das sie sehr geliebt hat. Foto: Schnierle-Lutz Foto: Schwarzwälder-Bote

Nachruf: Ein reiches Leben, das auch viele Mitmenschen bereichert hat, endet im 102. Lebensjahr

Calw. Die stets zuversichtliche und kreative Art und Weise, in der sie ihr Leben bis ins hohe Alter gestaltete, ermutigte alle, die sie kannten. Bis zuletzt war sie eine anregende Gesprächspartnerin mit beneidenswertem Gedächtnis, und tägliches Musizieren gehörte verbindlich zu ihrem Tageslauf.

Ohne lange Leidenszeit

Nun ist Marie Luise Bodamer, die meist Marlis genannt wurde, ein Vierteljahr vor ihrem 102. Geburtstag gestorben. Sie wurde aus dem Leben genommen, so wie sie es wünschte und ihr entsprach: ohne lange Leidenszeit und mitten aus einer noch erstaunlichen Selbstständigkeit.

Vor wenigen Wochen gefragt, worauf sie ihr hohes Altes zurückführe, sagte sie, es sei eine Gnade, die man selbst nicht sehr beeinflussen könne, und sie sei sich bewusst, dass ihrem Leben täglich ein Ende gesetzt sein könne.

Doch wer sie kennt, weiß, dass es da schon Gründe gab, die mitverantwortlich waren. Da sind ihr diszipliniertes Leben, ihr Musizieren, ihre beständige Lebensneugier und vor allem ihre heitere Lebenseinstellung zu nennen: Wenn sie morgens aufwache, freue sie sich, dass wieder ein neuer Tag vor ihr sei, erzählte die über Hundertjährige.

Marie Luise Bodamer wurde am 23. August 1915 als ältestes der vier Kinder von Fanny Schiler, geb. Gundert (1890-1979) und Alfred Schiler (1887-1968) geboren. Die Kindheitsjahre erlebte sie im imposanten Steinhaus in der Bischofstraße, bevor die Familie in das schöne Jugendstilhaus im Gartenweg umzog, in dem Marlis Bodamer bis zuletzt mit ihrem Sohn und dessen Frau wohnte.

Ihr Vater war Lehrer für Mathematik am Gymnasium; seine Eltern besaßen bis 1919 die Textilhandlung Schiler, die sich am Marktplatz im Geburtshaus Hermann Hesses befand.

Mit dem Dichter war Marlis Bodamer aber auch direkt verwandt: Ihre Mutter Fanny war die jüngste Tochter von Friedrich Gundert, einem Bruder von Hermann Hesses Mutter. Marlis, die mit ihrer Mutter deren berühmten Vetter mehrfach im Tessin besuchte, durfte Hermann Hesse "Onkel Hermann" nennen.

Unvergessen ist in diesem Zusammenhang die Veranstaltung vor 15 Jahren, als Marlis Bodamer über ihre Besuche bei "Onkel Hermann" berichtete, was auf so großes Interesse stieß, dass der Saal zu klein war und man in die Stadtkirche umziehen musste.

Nach der Schule trat Marlis in die Fußstapfen ihrer Mutter, die Geigenlehrerin war und als ausgezeichnete Geigerin viel zur Gestaltung des Calwer Musiklebens beitrug, wie schon deren Vater Friedrich Gundert, der maßgeblich die Kirchenmusik in der Stadt aufbaute. Am Konservatorium in Stuttgart studierte Marlis Musik und Klavier. Auf diesem Instrument gab sie danach auch Unterricht.

Von der Mutter geerbt

Anfang 1941 heiratete sie dann Georg Bodamer (1911-2000), der lange Zeit für die Calwer Firma Perrot die Öffentlichkeitsarbeit gestaltete. Zwischen 1941 und 1950 kamen die Kinder Thomas, Anna-Sibylle, Stephanie und Cornelie zur Welt, welche alle die Liebe zur Musik von der Mutter geerbt haben.

Nachdem die Kinder aus dem Haus waren, intensivierte Marlis Bodamer mit über 60 Jahren noch einmal ihr Berufsleben und half ab 1977 die heute so erfolgreiche Calwer Musikschule mit aufzubauen. Bis zu ihrem 85. Lebensjahr unterrichtete sie dort. Noch länger war sie als Geigerin in der Calwer Kammersinfonie aktiv.

Die Musikschule richtete ihr deshalb zum 100. Geburtstag 2015 in ihrer Anwesenheit eine musikalische Feier aus unter dem so passenden Motto: "Ein Leben mit Musik. Ein Leben für Musik. Ein Leben voller Musik". Oberbürgermeister Ralf Eggert bemerkte dabei treffend, dass Marlis Bodamer für Calw "eine identitätsstiftende Persönlichkeit" sei.

Wie sehr sie dem Calwer Kulturleben fehlen wird, kann noch gar nicht vollständig ermessen werden. Sie fehlte bis ins 100. Lebensjahr hinein bei kaum einer bedeutenden Veranstaltung zur Musik, zur Literatur und besonders zu Hermann Hesse.

Den Hermann-Hesse-Stipendiaten, die sie zwei Jahrzehnte lang zu Gesprächen bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen einlud, ist sie eine bleibende Calwer Erinnerung geblieben. Bei Kontakten mit ihnen war oft eine der ersten Fragen, wie es Frau Bodamer gehe.

Auch den Enkeln Hermann Hesses wird es schwer ums Herz werden, war doch Marlis ihnen die wichtigste und vertrauteste Anlaufstation in der Hermann-Hesse-Stadt.

So ist voll guter Erinnerungen Abschied zu nehmen von einem großen und bewundernswerten Menschen. Das Mitgefühl gehört ihrer Familie.