Siegfried Mann glaubt, mit seiner Landmetzgerei in Stammheim eine Nische gefunden zu haben und ist trotz aller Probleme zufrieden. Foto: Fritsch

In den vergangenen 18 Monate haben sechs Betriebe im Kreis endgültig aufgegeben. Mit Kommentar

Calw/Egenhausen - Immer mehr Metzgereien in Calw und Umgebung machen dicht. Zuletzt war es Rainer Jourdan, der seinen Betrieb mitten in Calw schloss (wir berichteten). Es endete eine 140 Jahre lange Handwerkstradition.

Damit nicht genug. Im Juli 2014 ging in Würzbach eine ähnlich lange Firmengeschichte zu Ende. Wenige Wochen nachdem noch das 100-jährige Bestehen gefeiert wurde, schloss die Metzgerei Pfrommer. In Stammheim machte Michael Roller seinen Laden zu. Schon vor Jahren haben Walter und Stefan Franz die Zahl ihrer Filialen von vier auf zwei halbiert.

"Das ist eine Entwicklung, die niemand aufhält." Hans-Georg Ehret, Obermeister der Fleischer-Innung Calw aus Egenhausen, klingt schon fast fatalistisch. Allein in den vergangenen 18 Monaten haben, wie er sagt, im Kreis Calw sechs Metzgereien geschlossen. Supermärkte auf der grünen Wiese böten alles unter einem Dach. Das ist für die Kunden bequem. Und zuweilen, so Ehret, sei das Fleisch dort billiger als Katzenfutter.

Supermärkte für Kunden bequemer - und billiger

Etwas anders sieht Gerhard Blum die Entwicklung. Zwar hält der Calwer Metzgermeister weitere Schließungen für möglich und verkennt nicht, dass sich die Branche in einem Strukturwandel befindet. Allerdings ist das Vorstandsmitglied im Landesinnungsverband Baden-Württemberg davon überzeugt, dass diejenigen, die diesen Wandel überleben, ihre Nische finden werden.

Für Blum steht auch außer Zweifel, dass es heute einer gewissen Betriebsgröße bedarf, um rentabel wirtschaften zu können. Da müsse eine Metzgerei etwa drei Mal so groß sein als vor 30 Jahren.

Zudem stelle sich die Frage, wie sich ein Fleischereibetrieb positionieren möchte. Blum nennt Stichworte wie Regionalität, eigene Schlachtung, den richtigen Produktmix und den Service.

Blum ist konsequent gewachsen. Er betreibt inzwischen rund ein Dutzend Fachgeschäfte bis nach Stuttgart und Zimmern ob Rottweil. Diesen Weg kann und will aber nicht jeder gehen. Das sei, so Obermeister Ehret, organisatorisch, logistisch und natürlich finanziell eine gewaltige Herausforderung.

Siegfried Mann glaubt, mit seiner Landmetzgerei in Stammheim die richtige Nische gefunden zu haben. Er schlachtet selbst, was heute nicht mehr viele Fleischer machen. Seine Schweine züchtet er selbst, bezieht Kälber und Rinder von einem Stammheimer Landwirt.

Regionalität im eigentlichen Wortsinn also. Auch wenn das ein Trend der Zeit ist, muss man sich am Markt behaupten. Denn regionale Produkte und Qualität haben ihren Preis. Und Mann zahlt Löhne weit über Mindestlohn. Er ist der festen Überzeugung: "Unsere Produkte sind ihr Geld wert!" Freilich sieht er sich dem Preisdruck der Großbetriebe ausgesetzt.

Zudem wachsen Flächen und die Zahl der Filialen von Discountern und Supermarktketten. Drei Mal Netto, je zwei Mal Aldi, Edeka und Rewe, dann noch Kaufland und Lidl: Da fragt sich der Stammheimer Metzgermeister schon, ob das für eine Stadt mit 23.500 Einwohnern nicht zu viel ist. Und ob das eigentlich kommunalpolitisch gewollt sein kann.

Aber auch von der EU kommt immer wieder Druck. Um das jüngste Beispiel zu zeigen, legt Mann beim Gespräch mit unserer Zeitung ein Schreiben des Landratsamts auf den Tisch. In ultimativem Ton wird er aufgefordert, an einem Seminar "Ruhigstellen/Betäuben/Schlachten" teilzunehmen.

Da kann er als Metzgermeister mit jahrzehntelanger Erfahrung nur noch den Kopf schütteln.

Kommentar: Unerwünscht

Von Alfred Verstl

Ob Bürgermeister oder Minister: Wenn von Regionalität die Rede ist, bekommen Politiker vor Begeisterung glänzende Augen. Andererseits fühlen sich vor allem Gastronomen, Einzelhändler und Handwerker unter Druck gesetzt. Das bürokratische Korsett wird zunehmend enger und immer öfter als schikanös empfunden. Ganz gleich, ob es sich um EU-Richtlinien handelt, deren Sinn sich kaum noch jemandem erschließt. Oder ob Flächen von Ladenketten und Discountern ständig ausgeweitet werden. Zu dieser Entwicklung tragen kommunalpolitische Entscheidungsträger wesentlich bei. Und die wundern sich dann, wenn ihre Innenstädte veröden. Da wird das Bekenntnis zur Regionalität zum Lippenbekenntnis. "Die kleinen, von Familien geführten Betriebe sind politisch nicht mehr gewünscht", sagt ein Calwer Einzelhändler. Offenbar hat der Mann Recht.