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Während Mühlen der Justiz mahlen, tickt die Uhr. Machern des 50-Milllionen-Euro-Projektes läuft Zeit davon.

Kreis Calw - Zwei Jahre. So lange hat Michael Stierle, Chefplaner der Hesse-Bahn im Landratsamt, und sein Team noch Zeit, um das wichtigste Infrastrukturprojekt im Kreis aufs Gleis zu setzen. Gelingt dies nicht, kippt die Förderung des Landes. 25 Millionen Euro stehen auf dem Spiel.

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Als Stierle vor sieben Jahren sich dieses Jahrhundertprojektes annahm, kannte man die Zielvorgabe schon. Die Fördermittel, die der Bund dem Land Baden-Württemberg für den Ausbau der Verkehrswege zur Verfügung gestellt hat, müssen bis zum Jahr 2018 verbaut und 2019 abgerechnet sein. Das ist die Grundvoraussetzung, dass die Subventionsmittel – im Fall der Hesse-Bahn 50 Prozent der 50 Millionen Gesamtkosten – überhaupt fließen. Gelingt dies nicht, kommen andere Projekte zum Zug und der Kreis Calw schaut in die Röhre.

Dabei haben die Macher des Millionenprojektes ihre Hausaufgaben gemacht: Der Zweckverband, der sich die andere Hälfte der Baukosten und auch die jährlichen Betriebskosten in Höhe von 1,7 Millionen Euro teilt, steht. Die Albtal Verkehrs Gesellschaft (AVG) ist als erfahrener Infrastrukturträger mit im Boot, und in dem Grünen Verkehrsminister Winfried Hermann hat man einen mächtigen Fürsprecher gewonnen, der sich schon vor zweieinhalb Jahren hinter das Zukunftsprojekt stellte und die Förderung zusagte. Das wurde damals als Durchbruch gefeiert. Dass die Millionen damit automatisch fließen, bedeutet Hermanns Segen indes noch lange nicht. Derzeit liegt der Förderantrag – vier Aktenordner dick – zur Prüfung in Stuttgart. Aber das bereitet Stierle am wenigsten Kopfzerbrechen. Man hat ja Hermanns Wort.

Stabiler Untergrund führt zu Kostenreduktion

Und auch die Sanierung der alten Schienentrasse wird weit weniger aufwendig, als mancher befürchtet hat. Was anno 1882 für die Württembergische Schwarzwaldbahn, die von Stuttgart nach Calw dampfte, gebaut wurde, war noch deutsche Wertarbeit. "Das kommt uns zugute", sagt Stierle, "in weiten Teilen ist der Untergrund so stabil, dass wir nicht so tief runter sanieren müssen. Und das führt zur Kostenreduktion." Weil die Strecke nach ihrer Stilllegung im Jahr 1984 als Bahnstrecke nicht entwidmet wurde, kommt man für deren Sanierung ohne Baugenehmigung aus. Aber – und das ist der Pferdefuß – dies gilt nicht für größere bauliche Veränderungen: also für die Brückenbauten, für den Tunnel bei Ostelsheim und für die Verlegung oder den Neubau von Haltestellen. Und genau das ist die offene Flanke, in die die Gegner des Projektes stoßen.

Da nutzt es wenig, dass für den Großteil dieser Projekte, voran für den 498 Meter langen Tunnel, seit Monaten die Planfeststellungsbeschlüsse – die einer Baugenehmigung entsprechen – vorliegen. Am Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim stapeln sich mittlerweile die Klagen gegen die Hesse-Bahn. Die Stadt Weil der Stadt interveniert juristisch nicht nur gegen die neue Straßenbrücke, die auf ihrer Gemarkung für die Hesse-Bahn gebaut werden soll, sondern auch gegen den Tunnel, der ebenfalls innerhalb ihrer Gemarkungsgrenzen liegt. Und die Naturschützer vom Nabu ziehen – wie berichtet – wegen der ihrer Meinung nach bedrohten Fledermauspopulation gegen den Tunnelbau juristisch zu Felde. Die Front der Gegner komplettieren private Anlieger der Bahnstrecke, die ebenfalls vor den VGH gezogen sind, So lange die Richter in Mannheim über diese Klagen nicht entschieden haben, kann mit dem Tunnelbau, der nach Stierles Einschätzung mindestens eindreiviertel Jahre dauern wird, nicht begonnen werden. "Der Tunnel ist die maßgebliche Zeitschiene", so Stierle, "der Rest ist nur eine Sache von wenigen Monaten".

Derweil tickt die Uhr, und der Zeitpuffer wird immer enger. Nur gut, dass Stierle die Ausschreibungen für die Großprojekte wie den neun Millionen Euro teuren Tunnel und die Stützmauern schon fix und fertig in der Schublade hat. Aber er weiß auch so: Bis Ende 2018 mit dem Projekt fertig zu sein, ist ein "ganz sportliches" Ansinnen.

Gegner können gegen Sofortvollzug wieder vor Gericht ziehen

So lange die Klagen beim VGH liegen, ist das ganze Jahrhundertprojekt auf Eis gelegt. Ein Antrag auf Sofortvollzug könnte die Sache am VGH beschleunigen. Hätte man – der Kreis ist bei diesen Prozessen formaljuristisch nicht der Beklagte (das ist das Land), sondern der "Beigeladene" – damit Erfolg, könnten die Bautrupps anrücken. Aber auch gegen einen solchen Sofortvollzug können die Gegner wieder vor Gericht ziehen. "Das Fenster wird immer kleiner, die Tür geht immer weiter zu", weiß Michael Stierle, aber seinen Optimismus lässt er sich deswegen nicht nehmen: "Das Projekt ist so sinnvoll und nachhaltig. Und wir sind so gut aufgestellt, dass wir auch diese Hürden überstehen."

"Im Dezember 2018", schaut der 45-Jährige visionär in die Ferne, "steigen wir in die Hesse-Bahn in Calw ein und werden 24 Minuten später in Renningen freundlich empfangen. Und wir halten überall und nehmen alle Bürgermeister mit".

Stierle ist nicht der Einzige, der an das Gelingen dieses Projektes glaubt. Immobilienträger werben schon offiziell für ihre streckennahen Grundstücke mit dem Prädikat "Bahnanschluss 2019". Noch bevor der offizielle Spatenstich gesetzt ist, entfaltet das Infrastrukturprojekt seine Wirkung: Entlang der Bahnstrecke ziehen die Baulandpreise an. In der Anrainergemeinde Ostelsheim zahlt man über 400 Euro pro Quadratmeter. Und die Nachfrage nach Bauplätzen ist weit größer als das Angebot.