Hier ist die Natur schon mehr als 100 Jahre lang sich selbst überlassen: Der Bannwald "Wilder See" liegt im Suchraum für den geplanten Nationalpark. Foto: Wiegert

Tzschupke will Schwarzwald durch mehrere kleine Schutzgebiete zu Nationalparkregion machen.

Nordschwarzwald - Er will nicht nur einen Nationalpark im Nordschwarzwald, sondern vor gleich mehrere einzurichten – aber dafür kleinere. Der ehemalige Forstprofessor und Projektkritiker Wolfgang Tzschupke bringt in die hitzige Nationalparkdebatte nun einen Kompromissvorschlag ein.

Herr Tzschupke, Sie sind der Erste, von dem ich höre, dass er einen Kompromiss in der Nationalparkdebatte sucht. Ist das ein Anliegen der Gegner, oder sind sie alleine unterwegs?

Es gibt darüber noch keine abschließende Diskussion, aber wenn es einen Kompromiss gäbe, der uns von der großen geschlossenen Fläche von 10 000 Hektar wegführt, dann bin ich sicher, dass auch Bewegung in die Diskussion auf Seiten der Nationalparkgegner kommt. Schließlich ist keiner der Gegner gegen den Naturschutz. Die Kritik begründet sich im Wesentlichen darin, dass es selbst aus Sicht des Naturschutzes keine belastbaren Fachargumente für die Größe dieses Projekts mit 10 000 Hektar Gesamtfläche und 7500 Hektar Kernzone gibt. Aber es gibt durchaus naturschutzfachliche Gründe, um nach anderen Varianten Ausschau zu halten.

Eine Variante wäre Ihr Kompromissvorschlag, die Fläche nicht zusammenhängend als Nationalpark auszuweisen, sondern in mehrere kleine Nationalparke zu splitten, über den Schwarzwald zu verteilen und ihn damit zur Nationalparkregion zu machen. Welche Vorteile hätte das?

Wir haben aus Naturschutzsicht sicher einen gewissen Nachholbedarf bei Flächen, die nicht mehr intensiv wirtschaftlich genutzt werden. Es gibt aber absolut keine fachlichen Kriterien dafür, dass dies eine zusammenhängende Fläche sein muss. Man könnte sich beispielsweise daran orientieren, was bereits heute an Schutzgebieten vorhanden ist. Wir haben im gesamten Schwarzwald eine Reihe von geschützten Flächen, die einen sehr hohen naturschutzfachlichen Wert haben, zum Beispiel die Bannwälder, und die könnte man sicher in vielen Fällen arrondieren. Das wäre sozusagen eine Ausweitung des Bannwaldkonzepts zu einer Nationalparkregion Schwarzwald. Bannwälder kennt man hier, und da sehe ich auch die Chance, die Menschen bei diesem Projekt mitzunehmen und die Gräben zwischen Nationalparkgegnern und -befürwortern zu überwinden.

Und was wäre aus Naturschutzsicht der Vorteil Ihres Kompromisses?

Kleine Flächen lassen sich gerade mit Blick auf das Reizthema Borkenkäfer besser überwachen. Die Befürworter sagen, beim Nationalparkprojekt geht es nur um 0,7 Prozent der Waldfläche im Südwesten. Umgekehrt kann man natürlich auch fragen: Glaubt wirklich jemand ernsthaft, mit 0,7 Prozent Waldfläche kann man naturschutzmäßig für ganz Baden-Württemberg viel erreichen? Zu suggerieren, wir schaffen mit einem einzigen Nationalpark im Land einen nennenswerten Beitrag zur Rettung der Artenvielfalt, ist unsinnig.

Warum soll sich der Dreizehenspecht nur im Nordschwarzwald verbreiten? Ist es für seltene Arten nicht sinnvoller, sie haben mehrere Rückzugsgebiete?

Der Naturschutz wird auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn wir auf der gesamten Landesfläche ausreichend Refugien für seltene Arten erhalten und schaffen. Diese Arten sind im Allgemeinen klein und deshalb wären für diese auch zahlreichere kleinere Flächen effektiver. Die großen populären Arten wie Wolf, Luchs oder Wildkatze brauchen keinen Nationalpark; der wäre für sie als Lebensraum ohnehin viel zu klein. Deren Problem war früher die Jagd. Heute laufen sie eher Gefahr, auf der Straße überfahren zu werden.

Das hört sich fast so an, als ob Ihnen die 10  000 Hektar Nationalparkfläche zu wenig wären…

Die größeren Naturschutzverbände fordern, zehn Prozent der deutschen Waldfläche stillzulegen. Bis zu einem gewissen Punkt kann ich das auch nachvollziehen, aber bitte nicht am Stück, denn das bringt nicht den gewünschten Naturschutzeffekt. Das zentrale Reizthema ist auch der Rückzug der Menschen aus einer traditionsreichen Kulturlandschaft. Ich sage es mal provokativ: Kein Mensch käme auf die Idee, den Kölner Dom verfallen zu lassen, um dann staunend vor den Steinen zu stehen. Man kann diesen Prozess also auch als Verwahrlosung von Kulturlandschaft werten.

Es geht aber auch um das Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Tourismus.

Ein Nationalpark dient zuerst dem Naturschutz. Es gibt eine Resolution des europäischen Parlaments, in der die Nationalregierungen dazu aufgefordert werden, den Tourismus aus den Kernzonen der Schutzgebiete fernzuhalten. Ich denke ohnehin, dass ein Nationalpark nicht die erhofften touristischen Effekte bringen wird. Wenn man die Entwicklung des Tourismus zwischen Gebieten mit und ohne Nationalpark langfristig vergleicht, sieht man, dass die Zu- und Abnahme der Übernachtungszahlen bei beiden ähnlich verlaufen. Entscheidend für den Tourismus ist das Engagement der touristischen Betriebe. Man muss investieren und passende Angebote vorhalten. Die Leute kommen in erster Linie wegen der guten Luft, der schönen Landschaft und eines attraktiven Wanderwegenetzes, nicht wegen eines Nationalparks.

Die Fragen stellte Sylvia Wiegert.