Harald Jackson zurück am Ort des Geschehens: Chefarzt Martin Oberhoff (links) und Oberarzt Thomas Anger (rechts) erläutern ihrem ehemaligen Patienten den Behandlungsablauf im Calwer Herzkatheterlabor. Foto: Matheus

Enge Zusammenarbeit zwischen Calwer Krankenhaus und Herzchirurgie Tübingen bewährt sich in dramatischem Fall.

Calw - Harald Jackson ist das, was man landläufig einen "Schaffer" nennt. Er hat Energie für drei und ein offenes, fröhliches Wesen, ist immer irgendwo am Arbeiten, nie krank und selten beim Arzt. Dann ereilt ihn – fast ohne Vorwarnung – ein schwerer Herzinfarkt.

"Ich kam von der Baustelle und dachte, ich hätte mich ›verlupft‹", erzählt der 59-Jährige. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages bekommt er plötzlich heftigste Brustschmerzen. "Ich habe ein schwarzes Loch und drei weiße Punkte gesehen, sonst nichts", ist das Letzte, woran er sich erinnert. Er ruft nach seiner Frau, die sofort den Notarzt verständigt. "Gott sei Dank war ich zu Hause, sonst wäre er jetzt wohl nicht mehr hier!" Ursula Jacksons Augen glänzen verräterisch, als sie diese Worte sagt.

Der Notarzt konstatiert einen Herzinfarkt, der Patient wird mit Blaulicht in die Kliniken Calw gefahren. Unterwegs kommt es zum Herzstillstand. Unter ständigen Wiederbelebungsmaßnahmen wird er ins Herzkatheterlabor eingeliefert, wo schon der Leitende Oberarzt Thomas Anger bereitsteht. Zwar gelingt es ihm, das verschlossene Herzkranzgefäß wieder zu öffnen und zwei Stents einzusetzen, es zeichnet sich aber schnell ab, dass der Patient sich nicht stabilisiert.

Schockteam aus Tübingen eilt mit Blaulicht nach Calw

In dieser Situation greift das Calwer Team auf die Kooperation im Rahmen des Herzkompetenznetzwerks zurück, welches zwischen der Inneren Abteilung mit Schwerpunkt Kardiologie der Kliniken Calw unter Leitung von Martin Oberhoff und der Herzchirurgischen Abteilung der Universität Tübingen unter Leitung von Christian Schlensak besteht. Erst im vergangenen Jahr haben sie gemeinsam das Schockkonzept zur Behandlung schwerstkranker Herzpatienten entwickelt und ein Schockteam aufgestellt. Kernstück ist der Einsatz einer transportablen Herz-Lungenmaschine zur Stabilisierung kritisch kranker Herzpatienten, was in diesem dramatischen Fall den entscheidenden Vorteil bringt: Das Tübinger Schockteam eilt sofort mit Blaulicht Richtung Calw, im Gepäck die tragbare Herz-Lungen-Maschine "Cardiohelp", mit gerade einmal zehn Kilogramm die weltweit kleinste und leichteste.

Das Calwer Team bereitet indessen alles für deren Einsatz vor, sodass das lebensrettende Gerät sofort nach dem Eintreffen implantiert werden kann. Je ein fingerdicker Schlauch wird in die Leistenvene und die Leistenarterie eingeführt. Das sauerstoffarme Blut wird über die Vene abgepumpt, in der Herz-Lungen-Maschine mit Sauerstoff angereichert und mit Druck in den Körper des Patienten zurückgepumpt. Der stabilisiert sich und wird mit dem Rettungshubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht nach Tübingen geflogen.

Zu diesem Zeitpunkt sieht es zunächst so aus, als könne er ohne Kunstherz vielleicht nicht dauerhaft überleben. Aber Jackson ist ein Kämpfer: Nach einer Woche auf der Intensivstation an der Herz-Lungen-Maschine erholt sich sein Herz und nach weiteren sechs Wochen Klinikaufenthalt sowie Reha wird Harald Jackson als gesund entlassen. Außer der kleinen Narbe vom Luftröhrenschnitt und einer etwas verminderten Pumpleistung seines Herzens hat er keine bleibenden körperlichen Veränderungen davongetragen.

Weder an die 45-minütige Wiederbelebung noch an den Flug im Rettungshubschrauber erinnert er sich bei seinem Dankesbesuch im Calwer Herzkatheterlabor vergangene Woche. Während ihm Professor Oberhoff noch mal die einzelnen Behandlungsschritte von damals erläutert, merkt man dem quirligen Calwer Urgestein kaum an, dass es damals Spitz auf Knopf zuging.

Seiner Frau dagegen steckt der Schreck noch immer in den Gliedern, und sie hat nun die schwierige Aufgabe, den neu aufkeimenden Tatendrang ihres Mannes im Zaum zu halten.

Auch für erfahrene Mediziner eine Erfolgsgeschichte

Aber auch für erfahrene Mediziner ist eine derart dramatische Rettung nicht alltäglich und eine Erfolgsgeschichte. "Der reibungslose Ablauf und die enge Zusammenarbeit zwischen Rettungsdienst, Kardiologen, Herzkatheterteam, Anästhesisten und dem Schockteam der Universität Tübingen haben maßgeblich zu dem positiven Ausgang beigetragen", sagt Chefarzt Martin Oberhoff. "Ohne dieses neue Konzept hätte unser Patient keinerlei Überlebenschancen gehabt."

Mittlerweile hat sich die lebensrettende Kooperation bereits in zwei weiteren Fällen bewährt und soll daher auch zukünftig ein fester Bestandteil der Rettungskette im Landkreis Calw bleiben. Für Harald Jackson ist klar, dass ihm die Kooperation das Leben gerettet hat: "Ich kann daher allen Beteiligten, Notarzt, Rettungsdienst und den Ärzten und Pflegern der Calwer und Tübinger Klinik nur von, oder mittlerweile besser wieder mit ›ganzem‹ Herzen danken."