Konstantin Wecker Foto: Fritsch

Münchner Liedermacher singt seit nahezu 50 Jahren gegen Gleichgültigkeit und Egoismus an.

Calw - In Zeiten von Terror, Rassismus, Ungerechtigkeit und Willkür forderte Konstantin Wecker zu einer Revolution der Zärtlichkeit und Liebe auf.

Knapp 1500 Zuhörer ließen sich beim Klostersommer in einem dreistündigen Konzert des Liedermachers mit bayrischem Zungenschlag mitreißen von der Vision einer besseren, friedlichen Welt ohne Grenzen, wo die Vernunft einhergeht mit Menschlichkeit und Herzenswärme. "Wir sind doch alle viel zu brav und haben uns in unserer Bequemlichkeit eingerichtet", meinte eine Besucherin im Vorfeld des ausverkauften Konzerts. Um den Hals trug sie die Regenbogenkette aus bunten Holzperlen, mit der auch Wecker kurze Zeit später auf die Bühne trat und die ein Zeichen der Hoffnung und des Friedens ist.

Sehnsucht nach einem friedlichen Miteinander

Seit fast 50 Jahren steht der 69-jährige Liedermacher, Friedensaktivist, Philosoph und Poet auf der Bühne und singt gegen Gleichgültigkeit, Egoismus, Raffgier und Ungerechtigkeit. Nie einen Hehl machte und macht Wecker aus den Tiefen seines Lebens und eigener Unzulänglichkeit. Gerade das macht ihn so authentisch und lässt ihn die Herzen und den Verstand seiner Zuhörer gewinnen, die hier nicht belehrt werden mit moralinsaurer Besserwisserei, sondern teilhaben an tiefen Einsichten, großem Wissensdurst und der Gabe das in Worte zu fassen, was viele Menschen bewegt, die sich nach einem friedlichen und solidarischen Miteinander sehnen.

"Revolution", so der Titel des aktuellen Tourneeprogramms von Konstantin Wecker, vereint alte Lieder, deren Wiedererkennen bei vielen Zuhörern Begeisterung hervorrief, mit seinen neuesten Werken aus der aktuellen CD "Ohne Warum". Dabei wird deutlich, dass sich Wecker über die Jahrzehnte treu, aber nie stehen geblieben ist. Der rote Faden, der sich durch das Konzert in Hirsau zog, könnte wie in einer seiner Liedzeilen lauten: "Misch dich ein".

Gleich zu Beginn bezog Wecker klar Stellung mit einem Song gegen die "Rassistenbrut" – heute ebenso aktuell wie bei seiner Entstehung in den 1980-er Jahren. Bejubelt wurde sein Statement: "Es hat sich nichts an meiner anarchistischen Einstellung verändert." Treu bleibt er aber auch seiner pazifistischen Grundüberzeugung. Mit "Revolution" wirbt Wecker dafür, eine radikale Änderung der Verhältnisse nicht mit Waffen und Gewalt, sondern durch "Romantisierung der Welt" herbeizuführen: "Nie mehr Söder und Seehofer. Nur noch Goethe und Brecht". Den Weg dorthin wies er unter anderem mit der leisen Vertonung und Fortschreibung eines Novalis-Gedichts.

Gewisse "Damen auf der Kö" entlarvt

Mit seiner unverkennbaren Stimme entfaltete Wecker die Poesie von "Wenn der Sommer nicht mehr weit ist", ließ die Zuhörer teilhaben an der stürmischen Liebe der Jugend und der eines "gereiften Herrn" und erinnerte mit der Persiflage "Es geht uns gut" an Zeiten ohne Smartphone und Apps. Gegen Krieg und rechte Verführung stand "Vaterland", mit dem "Waffenhändler-Tango" stellte er die Profitgier von Produzenten und Händlern ebenso an den Pranger, wie die Doppelzüngigkeit der Politik und entlarvte gewisse "Damen auf der Kö".

Textsicherheit bewies das Publikum das aus voller Kehle den ersten Vers von "Die Gedanken sind frei" schmetterte, bevor Wecker seine Gedanken zu dem Lied beisteuerte: "Die Gedanken sind frei, solang sie nicht stören." Eine Ode gegen Gewalt und Krieg und ein Plädoyer für den Frieden war die Vertonung des Gedichts "Der Krieg", in dem Georg Heym bereits 1911 die Schrecken des Ersten Weltkrieges kommen sah.

Unterstrichen wurden die Texte des Liedermachers durch die Melodien und Rhythmen der Songs, die teilweise von Wecker am Flügel und natürlich von seinen multi-musikalischen Weggefährten begleitet wurden. Ob zu "Heiliger Tanz", "Anarchie", "Revolution" oder wenn Wecker aus tiefster Seele bekennt "es ist eine grenzenlose Welt, in der ich leben will", lieferten der kongeniale Jo Barnikel am Keyboard, Schlagzeuger Wolfgang Gleixner und die ebenso schöne wie virtuose Fany Kammerlander an Cello, E-Bass und Gitarre die Töne von zart und leise über swingend und fetzig bis wild und rockig. Herausragend der Wiener Gitarrenkünstler Severin Trogbacher aus der Band von Hubert von Goisern.

"Ohne Warum" beschloss Wecker einen berührenden, nachdenklichen und Mut machenden Abend, der die Zuhörer mit ehrlicher Hoffnung mehr Solidarität, Mitgefühl und Gerechtigkeit entließ, aber auch mit einem bitteren Beigeschmack; denn die Erfahrung zeigt, dass letztlich Anpassung, Bequemlichkeit und der eigene Vorteil schnell wieder Oberhand gewinnen und das Handeln bestimmen.