Bei der Eröffnung der Ausstellung "Modern Sebastian – Blicke wie Pfeile" führte der Foto-Künstler Thomas Moritz Müller in sein Werk ein. Foto: Selter-Gehring Foto: Schwarzwälder-Bote

Esslinger Fotograf Thomas Moritz Müller nähert sich Heiligenfigur auf besondere Weise / Ausstellung eröffnet

Von Annette Selter-Gehring

Calw-Hirsau. Bereits 2008 hatte der Esslinger Fotograf Thomas Moritz Müller mit dem Bildprojekt "Young.Yedi.Josef" im Klostermuseum in Hirsau neue Blicke auf eine Figur des christlichen Glaubens eröffnet. Während damals die biblische Gestalt Josef im Mittelpunkt stand, ist Müller nun mit seinem neuesten Projekt "Modern Sebastian – Blicke wie Pfeile" zurückgekehrt. Im Dialog mit dem katholischen Bildungsreferenten Christoph Schmitt führte er in die neue Fotoausstellung im Museum ein, die das traditionelle Bild des Heiligen Sebastian hinterfragt, interpretiert und in einen aktuellen sowie teilweise sehr persönlichen, fast intimen Kontext stellt.

Der heilige Sebastian war ein römischer Soldat, der Ende des dritten Jahrhunderts lebte. Die Legende besagt, dass er dank seiner guten Umgangsformen zum Offizier der Leibwache des Kaisers Diokletian ernannt wurde. Diokletian verurteilte ihn zum Tode, als Sebastian, damals Hauptmann der Prätorianergarde am kaiserlichen Hof, notleidenden Christen half und sich selbst öffentlich zum Christentum bekannte. Das Todesurteil sollte von numidischen Bogenschützen vollzogen werden. An einen Pfahl gebunden, durchbohrten ihn die Pfeile, wie es auf fast allen historischen Darstellungen des Heiligen zu sehen ist. Laut der Überlieferung überlebte Sebastian dieses Martyrium aber. Er kehrte nach seiner Genesung an den kaiserlichen Hof zurück und bekannte sich erneut zu seinem Glauben. Dieses Mal konnte er seinem Ende nicht entrinnen. Diokletian befahl, ihn mit Keulen zu erschlagen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus Sebastian einer der bekanntesten Heiligen.

Das umfangreiche Bild- und Wort-Projekt "Modern Sebastian", aus dem unter dem Titel "Blicke wie Pfeile" lediglich Teile in der Hirsauer Ausstellung zu sehen sind, nähert sich aber nicht nur einer Heiligenfigur mit moderner Bildtechnik. "Was passiert, wenn wir alte Bildtraditionen verändern, sozusagen gegen den Strich bürsten", so Müller. Im Entstehungsprozess, an dem mehr als 70 Personen kreativ mitwirkten, darunter auch die jungen Männer, die für die Fotos Modell standen, wurden Fragen aufgeworfen. "Was bedeutet es heute, beschossen zu werden?", fragte Bildungsreferent Schmitt. Für die Pfeile der numidischen Bogenschützen setzte Müller Blicke, Ansprüche, gesellschaftliche Normen. Als Herausforderung an den Betrachter präsentiert er die Aufgabe, sich zu fragen, welche Rolle man selbst spiele: Opfer oder Täter.

Im Innersten geht es bei den inszenierten Fotografien um die Verletzlichkeit des Mannes. Die Bildsprache, die Müller wählt, ist körperlich und doch irgendwie "nicht von dieser Welt". Die Arrangements wirken distanziert, und doch hat der Betrachter den Eindruck, einen Blick hinter den Panzer aus Rebellion, Coolness, unterwürfiger Angepasstheit und vermeintlicher Verführung zu werfen. Und wieder muss sich der Betrachter fragen, ob auch seine "Blicke wie Pfeile" sind.