Sebastian, Melina und Elina Hein wohnen seit Juni in Calw. Erschrocken sind die Eltern über die Kosten für die Ganztagsbetreuung von Melina. Foto: Fritsch

Calw weist deutlich höhere Gebühren als Großstädte auf. OB Ralf Eggert verweist auf schlechte Finanzlage der Stadt.

Calw - Genau solche Familien möchte man gerne in Calw haben und wirbt um sie. Elina (35) und Sebastian Hein (40) sind im Juni mit ihrem zweijährigen Töchterchen Milena aus Magstadt in die Hesse-Stadt gezogen. An sich gefällt es ihnen gut – wenn da die hohen Kosten für die Kinderbetreuung nicht wären.

Der Techniker und die Betriebswirtin haben im Neubaugebiet Schlehenweg in Heumaden ein Grundstück gekauft und bebaut, erwarten im Oktober ihr zweites Kind. Die Freude war zunächst groß, dass für Milena im Kinderhaus Heumaden gleich ein Ganztagesplatz frei war. Erschrocken war Elina Hein, als sie sah, was das kosten sollte: 687,50 Euro pro Monat einschließlich Essen.

Sie dachte zunächst an einen Irrtum. Eine Rücksprache bei der Stadt ergab, dass dem nicht so war. Elina Hein machte sich an die Arbeit und verglich Calw mit anderen Städten (höchste Einkommenstufe, 50 Stunden Betreuung pro Woche, U3-Kind, einschließlich Essen, Stand 1. Juni 2015): Nagold 432 Euro, Sindelfingen 378 Euro, Böblingen 475 Euro, Pforzheim 327 Euro, Stuttgart 371 Euro, München 481 Euro.

Eine soziale Staffelung nach Einkommen hält die Familie Hein durchaus für richtig. Dass sie in Calw allerdings 2014 mit ziemlicher Sicherheit in die höchste Stufe kommen sollen, können sie bei einem Jahreshaushaltseinkommen von rund 55.000 Euro nicht nachvollziehen.

"Wir zählen uns nicht zur besser verdienenden Oberschicht", sagt Elina Hein im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie verweist auf Daten des Statistischen Landesamts. Danach lägen sie sogar leicht unter dem Durchschnitt.

Angesichts ihres "Frusts" hat sich die Mutter und Neu-Calwerin in einem Brief an Oberbürgermeister Ralf Eggert gewandt. Der habe schnell und freundlich geantwortet, ihr aber unter Hinweis auf die schlechte Finanzlage der Stadt zugleich bedeutet, dass sich an diesem Beschluss des Gemeinderats nicht rütteln lasse.

Eine Zehn-Stunden-Betreuung sei nun mal mit hohen Kosten verbunden, der Personaleinsatz entsprechend hoch, so der OB auf Nachfrage unserer Zeitung. Dies könne sich die Stadt nur mit Mühe leisten. Zudem müsse sich auch der Nutzer an einem Betreuungsaufwand, der vor wenigen Jahren kaum vorstellbar gewesen sei, beteiligen. Im Übrigen, so Eggert weiter, müssten auch Menschen, die weniger verdienen, für eine Zehn-Stunden-Betreuung einen erheblichen Elternbeitrag leisten. Nicht zuletzt sei es politischer Wille des Gemeinderats gewesen, diese Einstufung so vorzunehmen, um untere Einkommen nicht noch höher zu belasten. Und Eggert verweist auf eine Betreuung durch Tagesmütter, die günstiger sei.

Gleichwohl ist Elina Hein der Auffassung, dass die Stadt Calw bei den Gebühren für die Kinderbetreuung noch Hausaufgaben zu machen habe. Im Zeitalter von Kindertagesstätten und arbeitenden Müttern brauche es familienfreundlichere und fairere Lösungen. Diese Meinung höre sie auch immer wieder im Gespräch mit Nachbarn und Freunden. Mit ihrem Schritt in die Öffentlichkeit hofft sie nun, eine Diskussion in Gang zu setzen.