Das ernste Thema "Mitten im Leben sind wir im Tode" erfüllen junge Musiker der Aurelius Sängerknaben und das Ensemble des XVII. Jahrhunderts Trossingen in der Stadtkirche mit hoffnungsvoller Lebendigkeit. Foto: Fisel Foto: Schwarzwälder-Bote

"Mitten im Leben sind wir im Tode": Begräbnismusik des 17. Jahrhunderts eindrucksvoll interpretiert

Von Andrea Fisel

Calw. "Media vita in morte sumus – Mitten im Leben sind wir im Tode": ein Gedanke, in ebendiesem Wortlaut erstmals formuliert von dem um 840 geborenen Dichter und Philosophen Notker I. von St. Gallen. Doch das Wissen um den allgegenwärtigen Tod und die Vergänglichkeit des Menschen ist so alt wie die Menschheit selbst.

Unter dem gleichlautenden Titel stand das Konzert aus der Reihe "Erstes Calwer Wochenende für Alte Musik" in der evangelischen Stadtkirche, veranstaltet in Kooperation von Stadtarchiv und Musikschule Calw. Unterschiedliche Werke bekannter Komponisten des 17. Jahrhunderts erinnerten die Zuhörer daran, dass der Tod nicht nur am Ende des eigenen Lebens steht, sondern immer wieder und oft völlig unerwartet in alltägliche Situationen oder Geschehnisse eingreift.

Allein die Vielzahl an jungen Mitwirkenden, die Aurelius Sängerknaben Calw unter der Leitung von Bernhard Kugler sowie das Ensemble des XVII. Jahrhunderts der Musikhochschule Trossingen, einstudiert von Lorenz Duftschmid, zeigte, dass dergestaltige Vertonungen und Texte nicht nur der älteren Generation gefallen müssen. Das hohe Maß an Perfektion und Hingabe, mit der die jugendlichen Musizierenden die teils doch recht altertümlich oder befremdlich anmutenden Inhalte mit Leben, ja mit Glanz erfüllten, ließen erahnen, dass alte Musik auch heute noch begeisterte Anhänger zu finden vermag.

Zur Eröffnung zogen fünf Bläser mit eng mensurierten Barockposaunen, historischem Zink sowie unter rhythmischer Begleitung eines Tambor-Spielers gleich einem würdevollen Leichenzug durch das Kirchenschiff zum Altarraum. Diesen nur 15 Takte umfassenden Trauermarsch aus "Music for the Funeral of Queen Mary" komponierte Henry Purcell anlässlich des Todes der Königin Maria II. von England.

Heinrich Schütz’ "Musikalische Exequien" entstanden als Kirchenmusik zur Begräbnisfeier des Grafen Heinrich Posthumus von Reuß im Jahre 1635. Grundlage des ersten Teils "Concert in Form einer Teutschen Begräbnis-Missa" bildete eine Sammlung an Bibel- und Liedtexten, die der Fürst noch zu Lebzeiten zusammengestellt hatte. Nach der Predigt der Trauerfeier über die Psalmverse "Herr, wenn ich nur dich habe" schloss Schütz als zweiten Teil der Exequien die Vertonung dieses Textes als Motette an. Zur Bestattung des Sarges erklang die abschließende fünfstimmige Motette "Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren."

Der groß angelegte Zyklus von sieben in sich geschlossenen Kantaten "Membra Jesu nostri", von denen die Kantaten I, VI und VII während des Konzertes aufgeführt wurden, beinhaltet mystische Betrachtungen über die Gliedmaßen des Gekreuzigten. Dietrich Buxtehude schuf damit im Jahre 1860 zwar ein für ihn außergewöhnliches Werk, basierend auf einer mittelalterlichen, lateinischen Andachtsdichtung, hinterließ der Nachwelt indessen ein großartiges Bekenntnis vertrauensvollen Glaubens an die göttliche Liebe und Barmherzigkeit.

Ob nun als harmonisch-klangmächtiger Chorgesang, als vortreffliche Soli oder als musikalisch kontrastierende Doppelchor-Ausführung verliehen die Knaben- und Männerstimmen der Aurelius Sänger den meist mit Trauer und Schmerz einhergehenden Werken eine tiefe, zugleich tröstliche Kraft und Zuversicht.

Vom früheren Leipziger Thomaskantor Johann Hermann Schein erklang die Canzon "Corallarium" für fünf Stimmen aus dem "Venus-Kräntzlein" aus dem Jahre 1609. Mit ihren Instrumenten in barocker Bauweise verliehen die Trossinger Musikstudenten dieser Komposition ein nicht nur authentisches, sondern auch bezauberndes charakteristisches Klangbild auf hohem musikalischem Niveau. Es ist also nur zu hoffen, dass dieses "Erste Calwer Wochenende für Alte Musik" nicht das letzte bleibt!