Es gibt zu wenig Hebammen. Foto: dpa

"Kinderkriegen im ländlichen Raum" wirft Probleme auf. Problem Haftpflichtversicherung.

Calw - Noch vor wenigen Jahren galt die Hebammenversorgung in Deutschland weltweit als vorbildlich. Hohe Arbeitsbelastung und niedrige Vergütungen führen aber dazu, dass immer weniger Hebammen ihren Beruf ausüben. Verbände schlagen gar Alarm, dass jede siebte Gebärende in Baden-Württemberg ohne ausreichende Hebammen-Nachsorge ist.

Immens gestiegene Kosten

Insbesondere die immens gestiegenen Kosten für die berufliche Haftpflichtversicherung tragen dazu bei, dass Geburten im häuslichen Umfeld in vielen Gegenden nicht mehr angeboten werden. Grünen-Kreisrat und Landtagskandidat Johannes Schwarz aus Stammheim stellte in einem Fachgespräch im Calwer Krankenhaus die Frage, wie es aktuell um das "Kinderkriegen im ländlichen Raum", speziell im Kreis Calw, bestellt ist.

Eingeladen zur Diskussion hatten der Kreisverband und die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen auf Initiative von Anke Much aus Wildberg. Die Kinderkrankenschwester und Mutter zitierte einführend aus einer Stellungnahme der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg, dass vermehrt Frauen mit nachgeburtlichen Blutungen und Säuglinge mit Neugeborenengelbsucht wieder in Kliniken aufgenommen werden müssten.

Auch die Suche nach einem Geburtsvorbereitungskurs bleibe nicht selten erfolglos, und jede siebte Frau in Baden-Württemberg werde nicht mehr von einer Hebamme versorgt, wenn sie drei Tage nach der Geburt aus dem Krankenhaus entlassen wird, was zur Folge hat, dass sie mit "Baby-Blues" und Stillproblemen alleingelassen sind. "Ich habe eine Tochter Anfang 20 und wünsche mir, dass sich die Situation für diese und weitere Generationen nicht verschlechtert", sagte Much.

Lukrativer Rechtsmarkt

Ein Knackpunkt in dieser Problematik ist, nicht nur aus Sicht der Hebammen, dass in den vergangenen Jahren die Beiträge zu beruflichen Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen unverhältnismäßig gestiegen sind. Während 1981 jährlich rund 30 Euro im Jahr gezahlt werden mussten, waren es 2003 rund 1350, und seit diesem Jahr muss jede freiberufliche Hebamme 6274 Euro im Jahr zahlen.

Hinzu komme, verwies Hebamme Ursula Jahn-Zöhrens, dass immer weniger Versicherungen bereit seien, überhaupt Hebammen zu berücksichtigen. Die Beiträge seien, so Jahn-Zöhrens, nicht gestiegen, weil die Hebammen mehr Fehler machten, sondern weil es einen "lukrativen Rechtsmarkt" gebe.

Simone Vogel aus Althengstett, zweifache Mutter und Vorstandsmitglied des Elternvereins HappyBirthday, verwies auf Landkreise, in denen diese Versicherung ganz oder teilweise übernommen werde, um die Arbeitsbedingungen von Hebammen attraktiver zu gestalten. Und wenn wieder mehr Hebammen in der Vor- und Nachsorge sowie der Geburtsbegleitung aktiv tätig sind, dann könnte auch das zweite große Problem, die hohe Arbeitsbelastung mit 24-Stunden-Bereitschaft, Wochenenddiensten und fehlenden Vertretungen, gelöst werden.

Angespannte Situation

Kein Patentrezept zur Lösung der Problematik hatte Hartmut Keller, Geschäftsführer der AOK Nordschwarzwald, parat. "Die AOK tut schon einiges dafür, das wieder ins Lot zu bringen", sagte er. Klares Ziel sei, eine gute Versorgung der Schwangeren, bei der Geburt und im Wochenbett zu gewährleisten.

Angespannt ist die personelle Situation auch auf der einzigen Geburtsstation im Landkreis im Calwer Krankenhaus, bestätigte Alexandra Freimuth, geschäftsführende Klinikdirektorin der Krankenhäuser Calw und Nagold: "Momentan arbeiten wir an der Oberkante."