Lisa Kos in Aktion. Foto: Stöß Foto: Schwarzwälder-Bote

Kabarett: Deutsches Klagelied kommt wie eine Kalaschnikow-Salve daher / Karneval als Kulturschock

Calw. Sie bot Kabarett, Comedy, Kleinkunst vom Feinsten. Lisa Kos hielt das, was die Kleine Bühne Calw stets verspricht. Spaß und Freude in die Stadt zu bringen. Mit der Zuschauerzahl war man beim Veranstalter angesichts eines angenehm gut gefüllten Musikschulsaals zufrieden; mit dem Engagement der in Moskau geborenen Künstlerin Lisa Kos glücklich. Vorsitzender Florian Fuchs zeigte sich am Ende ob der "fabelhaft großartigen Vorstellung" begeistert.

Astreines Schriftdeutsch

Im Liebeslied an Deutschland drückt Kos schelmisch aus, wieso sie so erfolgreich "intrigiert" ist. Intrigiert ist kein Versprecher, sondern Teil ihres Programms. Denn Kos spricht astreines Schriftdeutsch. Wenn sie es möchte.

"Deutschland – ich hab an Dich mein Herz verloren. Deutschland, Du bist so glücklich, es sei denn, einer ist besser dran. Deutschland, Du bist der Hammer, doch Dein Gejammer gefällt mir nicht." Dann schlägt der Kos-Witz zu: "... eigentlich bin ich eine Deutsche, aber so etwas mach’ ich nicht; ich jammer’ nicht – es sei denn, es ist zu kalt oder zu heiß, oder es regnet oder es schneit und ich weiß nicht, was ich anziehn soll und außerdem... ", um dann endlos zu klagen. Sie besingt die deutsche Klageliste; wie mit der Salve aus einer Kalaschnikow. Man erkannte sich wieder.

Lisa Kos beschrieb das reale Leben. Ihr deutscher Freund Rainer führte sie in den Karneval ein. Kulturschock. Gelegenheit, das Calwer Publikum zu fragen, ob es hier auch so etwas gäbe. Den Zuruf "seit zehn Jahren gibt es Fasching in Calw" quittiert Kos spontan: "Was ist denn vor zehn Jahren passiert – ist ein Katholik nach Calw zugezogen?"

Überhaupt konnte es die Dame in rot gut mit dem Publikum, insbesondere den Herren in der ersten Reihe. Es heizte die Stimmung an, als sie Oliver nach dem Namen fragte, um ihm dann zu bescheinigen, dass er ein guter deutscher Mann ist. Er spricht, wenn er gefragt wird. Um dann aber dem Wilfried, exakt das Gegenteil zu bestätigen. Dieser plapperte ohne Auftrag. Bekannte der Angesprochenen konnten sich vor Lachen kaum halten. Die Aachenerin zelebrierte Lieder über Klischees, um damit exakt diese Klischees zu bedienen. Diese Kunst beherrschte Lisa Kos perfekt.

Auf diese Weise bekommen auch die Türken und Russen ihr Lisa Kos-Fett ab. Mit bekanntem russischen Akzent oder mit Kopftuch bekleidet schafft sie beide Darstellungen schauspielerisch. Sie verriet, dass ihr Vater gläubig sei. Er glaube immer noch, dass er das Oberhaupt der Familie ist. Ihren realen Zugang zum türkischen Leben erhielt sie übrigens durch ihre Ehe mit dem Deutschen "Achmet". Das Kopftuch trug sie vier Jahre lang. Heutzutage, im Nachhinein, kann Lisa Kos in der Rolle der "Aynur" Witze darüber machen. O-Ton zu Achmets Einstellung zur Ehe: "Du musst jetzt nicht mehr selbst überlegen. Ich überlegen – du unterlegen." Berührend und dennoch witzig das Lied auf türkisch "Bin ich". Eine Prise schwarzer Humor. Wie öfters an diesem Abend.

Voller geht es nicht

Für Svetlana Kalaschnikova mit blonder Perücke und weißen Stiefeln ist "russischer Mann ein Wesen voller (nun stockende Stimme) – voller geht es nicht..." Lisa Kos frotzelt über Eigenheiten bestimmter Spezies auf dieser Erde. Seien es Männer oder Frauen, Deutsche, Türken oder Russen. Aber: Sie bricht alles am Ende auf sich selbst herunter. Gerade das macht sie so sympathisch. Sie nimmt sich selbst auf die Schippe und verschont sich am aller wenigsten.

Letztlich lässt Frau Kos alle drei Frauen, die in ihr stecken, gemeinsam aufbrechen zu einem unterhaltsamen Abend. Die Deutsche und die Russin trinken einen – die Türkin fährt alle nach Hause.

Lisa Kos darf sich als erste Trägerin des in Anlehnung an die "Goldene Palme" geschaffenen Künstlerpreises "die grüne Schwarzwaldtanne" fühlen. Der Preis wurde vom hiesigen Jugendforschungszentrum konzipiert und geschaffen. Der Verein bedankte sich mit dieser Palme für die gelungene Performance.