Das Interesse an der internationalen Maurerklasse an der Rolf-Benz-Schule in Nagold ist groß. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Bildung: Kleinklassen stehen an den Berufsschulen auf der Kippe / Ist auch der ÖPNV schuld?

Kreis Calw. Es ist ein Phänomen, das zunehmend Berufsschulen im ländlichen Raum vor Probleme stellt: In klassischen Handwerksberufen wie Maurer oder Raumausstatter, aber auch im kaufmännischen Bereich fehlt der Nachwuchs, um die geforderte Klassengröße zu halten. Frank Wiehe, Erster Landesbeamter, fürchtet, dass Schulen in der Trägerschaft des Kreises mit dem Wegfall solcher Kleinklassen in ihrer Identität getroffen werden könnten.

Die amtliche Statistik hat auch eine positive Seite: Die Zahl der Schüler an den beruflichen Schulen im Kreis Calw ist im vergangenen Jahr leicht gestiegen: um 122 auf 5582. Den größten Zuwachs verzeichneten die Kaufmännische Schule (plus 44) und die Annemarie-Lindner-Schule (plus 44), beide in Nagold. Gründe für den Zuwachs an den beruflichen Schulen sieht Frank Wiehe "nicht nur, aber auch zum Teil" in der Aufnahme von jungen Flüchtlingen. 45 ausländische Schüler ohne Deutschkenntnisse sind demnach im vergangenen Jahr in den Berufsschulen integriert worden. Nachdem der Flüchtlingsstrom derzeit stagniere, sei nicht mit einem weiteren sprunghaften Anstieg von Schülerzahlen zu rechnen.

Kopfzerbrechen bereitet dem Landratsstellvertreter indes vor allem die Entwicklung der Kleinklassen. 16 Schüler – das ist eigentlich die Mindestzahl für eine Klassengröße. Alles darunter steht auf der Kippe und muss spätestens im dritten Jahr eingestellt werden. Wiehe schlug im Bildungs- und Sozialausschuss des Kreistags Alarm: Als Schulträger habe man Hinweise bekommen, dass mehrere Klassen gefährdet seien. Dabei seien nicht nur die klassischen Handwerks-, sondern auch kaufmännische Berufe betroffen – wie an der Hermann-Gundert-Schule in Calw, wo die Klasse der Bankkaufleute Sorgen bereiten würde.

Über nahezu jeder beruflichen Schule schwebt das Damoklesschwert "Mindestschülerzahl". An der Rolf-Benz-Schule gibt es nur noch sechs Maurer in der Fachklasse. Der Kreis will laut Wiehe gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft und der Arbeitsagentur aus diesem Grund eine internationale Maurerklasse etablieren, die auch für Flüchtlinge geeignet sei. Deren Interesse an einer solchen Ausbildung ist groß, wie jüngst ein Informationsabend an der Schule zeigte. An ähnliche Modelle denkt man in der Textiltechnik oder bei den Friseuren. An der Johann-Georg-Doertenbach-Schule gibt es nur noch einen einzigen Schüler im Friseurhandwerk.

Für Wiehe alarmierend sind die elf Raumausstatter an der Rolf-Benz-Schule. Das treffe die Identität dieser Schule, konstatierte der Erste Landesbeamte. Auch an der Kaufmännischen Schule in Nagold ist das Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife mit 13 Schülern unterbelegt.

Laut Wiehe sucht man nach "kreativen Lösungen", um gegenzusteuern. Neben dem verstärkten Marketing will man gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Wege suchen, damit die gefährdeten Bildungsgänge nicht durch den Raster fallen: "Ich stelle mich auf einen harten Prozess ein, aber ich bin optimistisch."

SPD-Kreisrat Lothar Kante meinte hingegen, dass man sich darauf einstellen müsste, die Bildungsgänge nicht mehr in der ganzen Breite anbieten zu können. Er plädierte für eine Strukturanalyse, um herauszufinden, wo die Schülerströme hingehen. Mitunter sei auch der Öffentliche Nahverkehr an der Entwicklung schuld, sagte Kante. Nach seinen Informationen würden Schüler wegen der besseren Nahverbindung von Calw nach Pforzheim abwandern.