Unterzeichnen den Vertrag (von links):. Jörg M. Feger, Ulrike Schulze und Michael Eichhorst. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Gesundheitswesen: Ulrike Schulze an Klinikum Nordschwarzwald ausgeliehen / Jugendpsychiatrie im Fokus

Kein großer Bahnhof, kein Festakt – aber "ein großer Schritt für das Zentrum für Psychiatrie" (ZfP) in Calw: Das Klinikum Nordschwarzwald und das Uniklinikum Ulm starteten eine umfassende Forschungskooperation.

Calw-Hirsau. Forschung – die "gab es bisher noch nicht" am ZfP, erläutert Geschäftsführer Michael Eichhorst. Man habe sich durchweg in den verschiedenen, unter dem Dach des ZfP Calw angesiedelten Kliniken auf Therapieangebote und das "Tagesgeschäft" konzentriert.

Das sich aktuell, so die Erfahrung am ZfP Calw, massiv verändere: seit ein, zwei Jahren registriere man in Calw- und den zahlreichen weiteren angeschlossenen Häusern und Einrichtungen in der Region einen stark erhöhten Patientenzulauf, speziell die Notfall-Quoten wiesen "steil nach oben". Die Ursachen für diese "Explosion bei den Patientenzahlen" seien aber derzeit nicht klar – womit dieses Thema eigentlich bereits den aktuell extrem großen Forschungsbedarf im Bereich der Psychiatrie belege.

Seit 2014 von Uni Ulm ausgeliehen

Doch geforscht wird in Calw künftig erst einmal vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, namentlich an der ZfP-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie. Dreh- und Angelpunkt dieser Forschung und auch der Forschungs-Kooperation ist dabei Chefärztin Ulrike Schulze, die seit 2014 vom Uniklinikum Ulm für ihre Chefarzt-Tätigkeit nach Calw "ausgeliehen" worden war und seit Anfang August nun als Angestellte des ZfP fest in den Nordschwarzwald wechselt – und dabei ihren Lehr- und Forschungsauftrag quasi mitbringt.

Für die Uniklinik Ulm ist die jetzt mit Calw vereinbarte Forschungskooperation eine Möglichkeit, die große Projekterfahrung von Ulrike Schulze weiterhin zu nutzen. "Wir verlieren Frau Schulze auf diese Weise nicht ganz an Calw", erläutert Schulzes bisheriger Chef, Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm. Schulze habe ein enorm großes Wissen "und Geschick", beispielsweise EU-Mittel für Forschungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu mobilisieren, wodurch der Forschungsstandort Ulm in den vergangenen Jahren europaweit in diesem Bereich führend wurde.

Über ein Netzwerk weiter verbunden

Für Fegert ist es durchaus eine "natürliche Entwicklung", auch "sehr gute Kräfte" irgendwann ziehen lassen zu müssen. "Wir sind eine Uniklinik, da ist es klar, dass auch immer wieder neue gute Leute nachwachsen und nach mehr Verantwortung streben." Aber man versuche, die intern "Seniors" genannten Experten wie Ulrike Schulze "in einem wachsenden Netzwerk" mit dem Haus verbunden zu halten – etwas in Form solcher Forschungskooperationen, wie sie jetzt mit Calw getroffen werde. Daraus erwachse dann regelmäßig eine "Win-Win-Win-Situation" für alle Beteiligten, von der alle profitierten.

Für Schulz wiederum ist die nun gefundene Konstellation ihrer beiden Dienstherren eine Möglichkeit, einen weiteren Karriereschritt – hin zur Chefärztin, den es so in Ulm für sie nicht gab – zu realisieren, ohne auf die spannenden Herausforderungen in der Forschung und die Hochschulanbindung zu verzichten. Aktuell betreue sie vier Forschungsprojekte – mit einem Fördervolumen von insgesamt 2,5 Millionen Euro. Ein Beispiel sei ein EU-Projekt zur Transition in Psychiatrie, also dem Übergang vom Kind- und Jugendalter hin zum Erwachsensein.

Bisher sei es so, dass mit Vollenden des 18. Lebensjahrs Patienten schlicht aus der Zuständigkeit der Jugendpsychiatrie "herausfallen", da nun die "Erwachsenen-Psychiatrie" für sie zuständig sei – ohne Rücksicht auf mögliche Folgen für die Patienten. In ihrem Forschungsprojekt nimmt Schulze erstmals eine Bestandsaufnahme europaweit vor, wie in solchen Fällen tatsächlich in den einzelnen Therapiestellen vorgegangen wird.

Und verbindet das mit einer vergleichenden Analyse, wie ein "begleiteter Übergang" der Patienten von der Jugend- in die Erwachsenen-Therapie sich von einer "Therapie wie üblich" unterscheidet – und was letztlich für den Patienten besser ist.

Mittel kommen aus Kinderlandstiftung

Ein anderes, bereits laufendes Forschungsprojekt: Mit Mitteln der Kinderland-Stiftung der Landesstiftung Baden-Württemberg untersucht Schulze an den ZfP-Standorten Calw und Weißenau, welche Vorteile gegenüber bisherigen Verfahren eine Begleitung jugendlicher Patienten beim Übergang aus der stationären Unterbringung zurück in ihre Familien den Beteiligten bringt. Erste (sehr positive) Ergebnisse aus diesem Forschungsprojekt wurden unlängst bei einem Kongress dem Fachpublikum vorgestellt, was auch zu einer Verlängerung der Forschungsförderung bis Mitte 2018 führte.

Bereits jetzt seien aber auch weitere Forschungsprojekte, die Schulze von Calw aus betreuen will, "in der Pipeline" – etwa zum Umgang mit jungen Traumapatienten aus den Reihen der Flüchtlinge und Asylbewerber. "Da erwarten wir in den nächsten Jahren einen stark wachsenden Bedarf in unseren Kliniken, dem wir mit solchen Forschungen vorbeugend begegnen wollen", wie Fegert erläutert. Vielleicht gelänge es dann auch, Studenten zum Beispiel von Ulm aus für konkrete Forschungsarbeiten in den Nordschwarzwald zu locken – was bisher leider noch nicht gelungen sei. "Aber daran arbeiten wird", meinte Ulrike Schulze abschließend.