Stationsärztin Olga Benina (links) und Hebamme Senta C. Wössner helfen Kindern ans Licht der Welt. Foto: Mikulcic Foto: Schwarzwälder-Bote

Hebammen machen sich wegen Versicherungsproblem existenzielle Zukunftssorgen

Von Marija Mikulcic

Calw. Senta C. Wössner ist Hebamme in Calw. Seit Oktober arbeitet die junge Geburtshelferin im Kreißsaal. Auch wenn sich jüngst mit der Württembergischen zumindest eine Versicherung in der Hebammenfrage überhaupt zu Wort gemeldet hat – von Entwarnung kann keine Rede sein. Auch Wössner macht sich Sorgen. Wenn der "Supergau" eintritt und ab Juli 2015 keiner mehr Hebammen versichert – was dann? Ist eine solche Lücke überhaupt zu schließen?

Nicht nur Nicole Seifried meint: Nein. Die zweifache Mutter aus Bad Wildbad entrüstet sich. Unermüdlich, kritisiert sie, werde fürs Kinder kriegen geworben. Und dann, an einem solch entscheidenden Punkt wie der Geburt, gebe sich der Gesetzgeber zauderhaft. Für die Kirchenmusikerin ein eklatanter Widerspruch. Seifried ist überzeugt: Auch wer derzeit selbst kein Kind erwartet, ist über kurz oder lang davon betroffen, wenn einer Gesellschaft die Kinder ausgehen. Hebammen, meint Seifried, seien ein tragender Stein im Fundament der Gesellschaft.

Für die Formel 1 wie fürs Leben gilt: Ein guter Verlauf ist ohne guten Start schwer vorstellbar. Nur können Neugeborene ihr Empfinden diesbezüglich nicht so öffentlichkeitswirksam artikulieren, dass hierdurch die Wende im Versicherungskrimi herbeigeführt würde. Wobei man im Schreien eine durchaus unmissverständliche Äußerungsform erkennen könnte.

Den Hebammen selbst ist, auch im Kreis Calw, sicher schon länger zum Schreien zumute. Immer höher kletterten ihre Versicherungsprämien im Verlauf des letzten Jahrzehnts. 450 Euro reichten in den frühen Nuller-Jahren noch aus, um die jährliche Berufshaftpflicht abzudecken. Derzeit, gibt Astrid Fach Auskunft, bewegten sich die Prämien über dem Zehnfachen dieses Betrages. Das macht Hebammen schwer zu schaffen. Über die Zukunftssorgen ihrer Kolleginnen ist Fach bestens im Bilde. Seit drei Jahren steht sie der Calwer Kreis-Sektion des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) vor. Und verstärkt seit Ende vergangenen Jahres das Team des Calwer Kreißsaals. Konstanze Weinert leitet ihn.

"Eine Hebamme", resümiert Weinert das Selbstverständnis ihres Berufsstandes, "hat geschworen, keine Frau im Stich zu lassen." Sollten Gesetzgeber und Versicherungen sich nicht einig werden, bereiten sie damit nicht nur den derart verpflichteten Hebammen ein handfestes Dilemma. Noch leiten diese Geburten wie eh und je.

"Jede Geburt ist anders", weiß Astrid Fach. Gut liefe es meist, wenn eine Gebärende sich ihrer Intuition überlassen könne, so die vierfache Mutter. Dafür brauche es Vertrautheit mit den äußeren Gegebenheiten und Vertrauen zu den Betreuenden. Oft nimmt eine Hebamme die Rolle einer intimen Vertrauten der werdenden Mutter ein. Diese besondere Stellung kennt aus eigener Praxis auch Ursula Jahn-Zöhrens. Seit 1989 ist die Hebamme ausschließlich freiberuflich tätig. Über 70 Familien begleitet sie durchschnittlich im Jahr. Auch Nicole Seifried wurde von Jahn-Zöhrens betreut. Und möchte diesen Beistand nicht missen. "Ich konnte jederzeit anrufen. Das hat mir total die Sicherheit gegeben", schildert Seifried ihre Wertschätzung dieser hebammenspezifischen Besonderheit. Ob ein solches Maß an beruflicher Bereitschaft von anderer Stelle her kompensiert werden könnte? Es darf bezweifelt werden. Von Müttern im Kreis jedenfalls erfahren die Hebammen große Solidarität.

Am 5. Mai, dem internationalen Tag der Hebammen, wollen die Frauen, die den Weg ins Leben frei machen, öffentlich auf ihre Lage aufmerksam machen. Ein Infostand in der Innenstadt Calw ist geplant.