Vor Thomas Müller haben auch die in Calw wohnenden Italiener viel Respekt. Ab sie hoffen natürlich, dass "ihr" Gianluigi "Gigi" Buffon seinen Kasten sauber hält. Fotos: dpa/Montage: Krämer Foto: Schwarzwälder-Bote

Europameisterschaft: Deutschland gegen Italien hat für Calw besondere Bewandtnis

Von Alfred Verstl und Matthias Zahner

Deutschland gegen Italien ist ein Fußball-Klassiker. Für Calw hat das Spiel eine besondere Bewandtnis. Reicht doch die Geschichte der italienischen Mitbürger bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurück.

Calw. Die ersten kamen nämlich nicht mit der Gastarbeiter-Welle in den 1960er-Jahren. Italiener bauten ab 1866 die Bahnlinie nach Weil der Stadt, die jetzt als Hermann-Hesse-Bahn wieder reaktiviert werden soll. Es waren sogar so viele, dass sie damals auch für den Bau der katholischen Kirche St. Josef in Calw sorgten.

Heute sind von den rund 23 000 Einwohnern Calws nahezu 1000 Italiener, was einem Anteil von gut vier Prozent entspricht. Sie stellen zugleich die größte Ausländergruppe in der Hesse-Stadt.

Die Italiener sind, so sagte es Oberbürgermeister Ralf Eggert vor zwei Jahren bei der Einweihung des Gastronomiebereichs im Centro Italiano, aus Calw nicht mehr wegzudenken. Sie leisteten einen immensen Beitrag zur Integration.

So sieht es auch Filippo Luminario, Vorsitzender des italienischen Kulturvereins. Man wolle die Integration seiner Landsleute in Deutschland und Europa fördern, sagte er damals.

Luminario ist zudem zweiter Vorsitzender des Fußballvereins AS Tricolore, der mit dem FV Calw eine Spielgemeinschaft bildet. Auch ein Zeichen der Integration. Er freut sich auf das heutige Spiel, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. "Möge der Beste gewinnen", sagt er ganz diplomatisch. Es werde sicherlich ein Riesenspektakel. Er hoffe nur, dass alles friedlich bleibt und die Fans nicht vergessen, dass es nur um ein Fußballspiel geht, so Luminario, der seit 1973 in Calw lebt, mit einer Deutschen verheiratet ist und als selbstständiger Finanzdienstleister tätig ist.

Ein bisschen Nationalstolz

"Ein bisschen Nationalstolz wird man ja haben dürfen", sagt Rosario Prestito. Der Obst- und Gemüsehändler in der Inselgasse lebt seit 52 Jahren in Deutschland. Natürlich drückt er den Italienern die Daumen. Auch er hofft, dass es zu keinen Ausschreitungen kommen wird.

Während des Fußballspiels arbeitet der Inhaber des Eiscafés Adria, Michelangelo Giuliano, nicht. Da sitzt der Italiener mit seinen Gästen draußen vor seinem Café und schaut auf dem großen Fernseher, den er extra für die Europameisterschaft angeschafft hat, das Viertelfinale. "Natürlich bin ich für Italien", verrät Giuliano. Besser als er erwartet habe, seien die bisherigen Auftritte der Squadra Azzurra gewesen. "Italien hat nicht so die großen Talente in der Mannschaft. Deutschland hat das komplettere Team und die besseren Einzelspieler", meint der Café-Inhaber. Vor allem Thomas Müller, der bisher im Turnier noch nicht traf, fürchtet er: "Das ist ein Spieler, der 90 Minuten nicht zu sehen ist und trotzdem sein Tor macht."

Sein Tipp: Nach einem 1:1 nach der Verlängerung gewinnen die Italiener im Elfmeterschießen.

"Ruf und runter gerannt"

Die erste Hälfte schaut Giuseppe Gentile in der Küche seines Restaurants "Il Buongustaio" auf einem kleinen Fernseher. Spätestens nach der Halbzeitpause will er dann zu Hause sein und das Spiel in Ruhe schauen. Außer mit dem Spiel gegen Irland war der Koch bisher mit der italienischen Mannschaft zufrieden. 70 Minuten seien die Italiener gegen Spanien "ruf und runter gerannt", nur in den letzten 20 Minuten sei dem Team etwas die Luft ausgegangen. Dennoch habe Italien verdient gewonnen. Heute Abend soll "der Bessere gewinnen." Er tippe aber auf einen 2:1-Sieg für die Mannschaft um Kapitän Gianluigi Buffon, die, wenn es nach ihm geht, im Finale auf Portugal trifft.