Nietzsche-Forscher Bernd Oei fand zahlreiche Gemeinsamkeiten zwisc hen Hesse und Nietzsche. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Renommierter Philosoph stößt mit seinem Vortrag auf großes Interesse / Erstaunlich viele Parallelen

Von Bettina Bausch

Calw. "Ich habe vor Hermann Hesse größten Respekt. Ich bewundere ihn dafür, wie er komplexe Zusammen hänge in einfacher, klarer Sprache ausdrückt", so der renommierte Philosoph und Nietzsche-Forscher Bernd Oei, der auf Einladung der Internationalen Hermann Hesse Gesellschaft nach Calw gekommen war, um über Hesse und Nietzsche zu sprechen.

Der Saal im Haus Schüz platzte am Sonntag aus allen Nähten. Erstaunlich viele Interessenten waren gekommen, um mit dem Bremer Philosophiedozenten den Gemeinsamkeiten des großen Literaten und Nietzsche nachzuspüren. Der Fachmann verstand es ausgezeichnet, das schwierige und vielfältige Thema auf interessante, kurzweilige und humorvolle Weise darzustellen.

Schon die Herkunft und Kindheit der beiden großen deutschen Denker und Schriftsteller ist ungewöhnlich ähnlich. Hesse und Nietzsche wuchsen beide in religiösen Elternhäusern auf. Während Hesse von einem pietistischen Missionshaushalt geprägt wurde, kam Nietzsche aus einem sächsischen Pfarrhaus. "Beide hatten strenge Väter und ein konservatives Elternhaus, begehrten auf und wurden rebellisch", unterstrich Referent Oei.

Der Nietzsche-Forscher hatte erstaunliche Kenntnisse von Hesses literarischem Werk. Der Steppenwolf, so betonte er, sei in den USA dessen meistgelesenes Werk und der Inbegriff für Streben nach Freiheit. Hesses "Siddharta" sei ein "Ausbruch aus dem damaligen Denkschema". "Unsere Zeit macht es der Jugend schwer. Es besteht überall das Bestreben, die Menschen gleichförmig zu machen und ihr Persönliches möglichst zu beschneiden", schrieb Hesse über seinen bekannten Entwicklungsroman "Demian".

Emil Sinclair ist in diesem Buch ein Suchender, der immer wieder alles Überkommene ablehnt. Er macht die Erfahrung des Ausgestoßenseins und Alleinseins, sucht jedoch den Weg aus der "Herdenmoral zur selbstbestimmten Herrenmoral". Doch Hesses Protagonist reift schließlich zum Mann und findet seinen Platz in der Gesellschaft.

Nicht so bei Nietzsche. Er hat alles kompromisslos in Frage gestellt und einen erbitterten Kampf gegen alles Überlieferte und falsche Moral geführt. So seien zum Beispiel aus egoistischen und geltungssüchtigen Gründen repräsentative Kirchenbauten durch die Ausbeutung der armen, unteren Bevölkerungs -schichten entstanden. "Gott ist tot", habe er verkündet und so dessen Existenz in Frage gestellt. Die beiden großen Denker lebten häufiger in Krisen, innerer Abwehr und wurden so zu Einzelkämpfern. Bei Hesse waren es Depressionen, die er immer wieder bekämpfte. Nietzsche endete in geistiger Umnachtung.

"Carpe diem", nütze den Tag, lautete ein wichtiger positiver Grundsatz Nietzsches, mit dem er versuchte, das Leben positiv zu sehen. Dies sei dazu geeignet Lebenskrisen durchzustehen. Diesen Gedanken, so Bernd Oei, finde man auch bei Hesse.

Der Calwer Hesse-Kenner Herbert Schnierle-Lutz lobte die klare, gut verständliche Sprache Oeis. "Damit stehen sie in der Nachfolge Hermann Hesses", hob der Literaturpädagoge anerkennend hervor. Nach dem Vortrag wurde noch lange mit dem Referenten über das vielfältige Thema diskutiert.