Der angeklagte Matthias B. aus Bad Wildbad (hier mit seinem Verteidiger) versteckte sich vor Beginn der Verhandlung vor den Kameras der Presse. Foto: Kuhnert

Wiederholungstäter zu 27 Monaten Haft verurteilt. Bundesweite Aufmerksamkeit durch "Jürgen-Klopp-Masche".

Calw - Es ist ein ziemlich bizarrer Fall, der jetzt vor dem Amtsgericht Calw verhandelt wurde und mit der Verurteilung des Angeklagten endete. Schon im Vorfeld sorgte das Verfahren durch eine WDR-Dokumentation bundesweit für Aufmerksamkeit.

Der in Freudenstadt aufgewachsene und zum Tatzeitraum in Karlsruhe und später in Bad Wildbad lebende Matthias B. hatte wiederholt Jugendliche und junge Männer mit wilden Versprechungen etwa für eine Schauspiel- oder Filmausbildung in seine Wohnung gelockt, um sie dort in sadistischer Absicht mit Kleiderbügeln, einer Bambusrute oder einem Ledergürtel zu schlagen. Seinen gutgläubigen Opfern erklärte B. diese Schläge mit der Behauptung, sie seien Teil des "amerikanischen" Ausbildungssystems. Womit er zum Teil monatelange Duldungen der Misshandlungen erreichte.

Opfer stammen aus Pforzheim und Neuenbürg

Verhandelt wurden jetzt insgesamt zwölf solcher Fälle aus dem Jahr 2011 mit zwei Opfern, die aus Pforzheim und Neuenbürg stammten. Wobei vor allem das zur Tatzeit 21-jährige Opfer "David"* aus Neuenbürg (*Name geändert) im Fokus stand, da David besonders lange den Machenschaften B.s ausgesetzt war und auch eine der Hauptrollen in den WDR-Dokumentation spielt, die im März ausgestrahlt wurde. Zudem trat David vor dem Amtsgericht Calw als Nebenkläger auf.

Während aber Matthias B., der selbst nichts zu Sache aussagte, über seinen Anwalt sämtliche ihm jetzt zur Last gelegten Taten vollumfänglich einräumte, zweifelte dieser aber die Glaubwürdigkeit des Opfers David an, den Betrug B.s nicht erkannt zu haben und vermutete ein stillschweigendes Einverständnis aufgrund eines unerkannten Borderline-Syndroms beim Opfer.

Angeklagter stand unter behördlicher Aufsicht

Das Gericht folgte dieser Ansicht nicht und sah auch bei David eine vollendete Täuschung durch Matthias B. als gegeben. Was aber während des Verfahrens auch deutlich wurde: Matthias B. war zum Tatzeitpunkt ein einschlägig bekannter und bereits in einem fast identischen Verfahren vor dem Amtsgericht Freudenstadt im Jahr 2009 rechtskräftig verurteilter Wiederholungstäter. Allein die Aufzählung der damals verübten Taten – es waren über 40 mit zum Teil tausenden von Schlägen, die Matthias B. seinen Opfern beigefügt hatte – dauerte eine halbe Stunde. B. war damals bereits zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Während der neuen Taten stand er aufgrund seiner Bewährungszeit sogar unter behördlicher Aufsicht. Und ein Zeuge des Polizeireviers Karlsruhe bestätigte in seiner Aussage, dass man dort "ein besonderes Auge" auf B. hatte und zum Beispiel Sportvereine mit Jugendgruppen gezielt vor dem Angeklagten warnte, für den ein gerichtliches Verbot bestand, sich Jugendlichen allein und ohne Aufsicht zu nähern. Denn B. gab sich gerne auch mal als Berater des Fußballstars Mario Götze oder des Trainers Jürgen Klopp aus, um seine Opfer in seinen Bann zu ziehen.

Aufgrund dieser Masche geriet der Fall von Matthias B. auch seinerzeit bundesweit in die Schlagzeilen. Genützt hat diese Aufsicht allerdings offensichtlich nichts. B. fand wieder durch persönliche Ansprache auf der Straße und in Internetforen neue Opfer, wobei der von Gericht beauftrage psychiatrische Gutachter B. hohe Intelligenz und manipulative Fähigkeiten bescheinigte – allerdings bei einer pathologischen "kombinatorischen Persönlichkeitsstörung" und einer "multiplen Störung der Sexualpräferenz". Diese fuße auch auf frühkindlichen Schädigungen. B. nutzte die Gewalttaten, um sich jeweils anschließend, wenn er wieder allein war, selbst zu befriedigen.

Geständnis wird Täter positiv angerechnet

Von Richterin Brigitte Lutz, der Direktorin des Amtsgerichts Calw, nach den Gründen befragt, warum sich B. mit seinen exotischen Sadomaso-Neigungen nicht einfach einen Sexualpartner suche, der auf Augenhöhe zu seinen Präferenzen passe, mutmaßte der Gutachter, dass B. auf den bisher von ihm gewählten Weg eben immer "leichter" zum Ziel gekommen sei. Allerdings deute der vor seiner Verhaftung vollzogene Umzug B.s vom Nordschwarzwald nach Berlin an, dass er wohl hoffe, dort künftig einmal auch auf legalem Weg seine sexuelle Neigung ausleben zu können.

Dass die Strafe trotz der verhandelten Wiederholungsfälle letztlich niedriger ausfiel als bei seiner ersten Verurteilung, obwohl die neuen Taten auch noch in der Bewährungszeit der ersten Strafe verübt wurden, hatte B. seinem vollumfänglichen Geständnis zu verdanken, das zumindest einem der Opfer die bereits angesetzte Vernehmung vor Gericht ersparte.

Die Staatsanwaltschaft Tübingen hatte in ihrem Plädoyer insgesamt drei Jahre Haft für Matthias B. gefordert. Da bei B. Fluchtgefahr besteht – die aktuelle Verhandlung musste zweimal neu angesetzt werden, da B. nicht zum Gerichtstermin erschienen war, so dass er schließlich mit Haftbefehl gesucht und in Berlin verhaftet wurde – bleibt er auch bis zur Rechtsgültigkeit des neuen Urteils in Untersuchungshaft.