Dieter Raschko ist bisher nicht fündig geworden. Foto: Schwarzwälder-Bote

Dieter Raschko fühlt sich schon nach dritter Absage asozial / Freie Wahl mittlerweile allgemein schwierig

Calw. Dieter Raschko ist eigentlich ganz umgänglich und hat nichts Ansteckendes. Er stellt keine aufsässigen Fragen, kommt für gewöhnlich pünktlich zu den Terminen und würde sich auch vor einem Praxisbesuch waschen. Keinesfalls würde er um einen Hausbesuch bitten. Er raucht nicht und trinkt nicht (oder sollte er?). Er würde sich auch nur ganz selten blicken lassen, den Arzt nur belästigen, wenn es absolut notwendig ist und hätte sogar eigenes Pflegepersonal in der Familie.

Als Pfarrer, als der er sich bei seiner Hausarztsuche allerdings nicht vorgestellt hat, versteht er ein bisschen Latein, aber nicht, dass er bisher sechs Absagen bekommen hat bei seiner Suche in Calw. Auch Raschko, der übrigens nicht verriet, dass er Privatpatient ist, musste als Neuzugezogener die Erfahrung machen, dass freie Arztwahl mittlerweile insgesamt in Deutschland ganz schön schwierig ist.

Er war bestimmt nicht frech am Telefon und hat noch nie eine Sprechstundenassistentin angemosert. Eigentlich hat er keine besonders hervorstechenden Fehler, außer dem, dass er erst vor einem Jahr zugezogen ist und deshalb das Pech hat, sich einen neuen Hausarzt suchen zu müssen. Schon nach der dritten Absage fühlte er sich asozial. Bei der vierten versuchte er es am Telefon auf Schwäbisch. Ohne Erfolg.

Beim fünften Versuch fragte er gleich im ersten Satz: "Nehmen Sie neue Patienten auf?" Nach der sechsten Absage schwor er sich, künftig Heilungsgottesdienste in der Calwer Stadtkirche zu feiern. Und dann wurde er immer wütender. Er hat aber nie versucht Druck zu machen. Und keine Überredungsversuche unternommen. Er will ja gar nicht zu einem überlasteten Workaholic mit zweistündiger Wartezeit, der zu ihm sagt: "Na ja, ich bin ja nicht so, dann melden Sie sich halt mal an – ausnahmsweise." Er will auch gar keinen Super-Arzt oder eine Superärztin. Sein Hausarzt müsste nicht operieren können. Seelsorger müsste er auch nicht sein, nicht einmal berühmt oder beliebt.

Der Calwer Stadtpfarrer sucht einfach einen soliden Praktiker, der ein bisschen Zeit hat und der ihn einmal im Jahr anguckt und sagt: "Sie leben zu gut. Ansonsten sind Sie gesund." Ist das zu viel verlangt?, fragt sich Raschko. Und ob es überhaupt in Calw einen Allgemeinmediziner gibt, der einfach so mal eben einen neuen Patienten aufnehmen kann? Der sich vielleicht sogar freut, wenn dieser anruft und fragt: "Würden Sie sich mal bitte meine Warze angucken?" Genau so einen sucht er! Bitte melden! Er würde es auch nicht weiter sagen. Oder sollte er?

Und jetzt mal im Ernst: Natürlich fühlt man sich beschissen, wenn man von einer Arztpraxis abgewimmelt wird. Gibt es denn keine Liste mit den Ärzten, bei denen ein Anruf zwecklos ist? Dieter Raschko wüsste da schon sechs Namen.