Bei Rot stehen - das kann am Adlereck ganz schön lange dauern. Foto: Klormann

Passanten müssen wegen Vernetzung des Innenstadt-Verkehrs zum Teil drei Mal warten. Mit Kommentar

Calw - "Bei Rot stehen, Kindern Vorbild sein" – diese Schilder zieren viele Calwer Fußgängerampeln. Ein wichtiger Hinweis. Doch wer ihn beachten will, braucht Geduld. Unerfreulich – aber nicht zu ändern, erklärt die Straßenbauabteilung des Landratsamtes.

Seit die Baustelle in der Calwer Bahnhofstraße weiter in Richtung alter Bahnhof gewandert ist, herrscht am Adlereck, wo Bahnhof-, Bischof- und Stuttgarter Straße zusammentreffen, wieder reger Verkehr. Klar, dass die Straße hier nur mit Hilfe der Fußgängerampel überquert werden sollte. Dafür muss man unter Umständen aber ziemlich viel Zeit mitbringen.

Anlagen arbeiten nicht unabhängig voneinander

Denn die Bahnhofstraße wird an dieser Stelle durch zwei Verkehrsinseln in drei Abschnitte unterteilt. Jeder Abschnitt hat seine eigene Ampel. Mit anderen Worten: Wer Pech hat, wartet gleich drei Mal hintereinander – auf einer Strecke von geschätzten 20 Metern.

Doch warum ist das so? Wäre es nicht besser, die Fußgängerampeln miteinander zu verknüpfen, um auf einen Rutsch über die Straße zu kommen? Nicht unbedingt, erklärt Jürgen Hehr, Leiter der Straßenbauabteilung im Landratsamt. Denn die Ampel am Adlereck arbeitet nicht unabhängig. Sie ist ein "Teil der Gesamtkonzeption der Verkehrssteuerung in der Calwer Innenstadt". Und deshalb auch mit sämtlichen anderen Ampeln bis zum Kaufland abgestimmt und verknüpft.

Hintergrund dieser Regelung, so erklärt Hehr, sei die besondere Verkehrssituation, "da der gesamte Innenstadtverkehr über einen Straßenzug abgewickelt werden muss". Mittels einer Verkehrsflusssimulation sei deshalb untersucht worden, wie die Ampeln miteinander verschaltet werden müssen, um einen optimalen Verkehrsfluss zu ermöglichen.

Keine einfach Aufgabe angesichts einer Straße, die nicht nur durch die Innenstadt führt, sondern auch die einzige Zufahrt zum ZOB und drei Parkhäusern darstellt. Dies, sowie die zahlreichen Fußgängerampeln seien bei dem Verkehrskonzept aus dem Jahr 2008 berücksichtigt worden. Je nach Tageszeit – und damit zusammenhängendem Verkehrsaufkommen – variiere die Schaltung der Ampeln.

Schilder ermöglichen gutes Durchkommen

Für das Adlereck bedeutet das: "Wie an vergleichbaren anderen Einmündungen werden dort die Rechtseinbieger – in die Bahnhofstraße und von der Bahnhofstraße in die Stuttgarter Straße – nicht über eine Ampelschaltung gesteuert, sondern über Verkehrszeichen geregelt, was einen hohen Verkehrsdurchfluss ermöglicht", erläutert der Straßenbauabteilungsleiter.

Die Ampel dort werde erst aktiviert, wenn ein Fußgänger auf den Knopf am gelben Apparat drückt. Dadurch kommt es zu drei Ampelphasen hintereinander, die im ungünstigsten Fall erst nach und nach grün zeigen. Ob man dabei jeweils lange oder kurz warten muss, hängt wiederum vom Gesamtverkehr in der Innenstadt ab, auf den sämtliche Ampeln abgestimmt sind. 

"Im Unterschied zu einer freistehenden Fußgängersignalanlage, welche sofort nach Knopfdruck reagiert und der Autofahrer auch problemlos anhalten kann, ist die Situation im Innenstadtbereich, wenn es gilt, zahlreiche Verkehrs- und Fußgängerströme zu koordinieren, ein wesentlich komplexeres Thema", sagt Hehr. Die Verkehrs- und Fußgängerabwicklung sei ein "abgestimmter und optimierter ›Kompromiss‹, welcher in zahlreichen flexiblen Verkehrsprogrammen auf die sich ständig wechselnden Verkehrssituationen reagiert".

Diese Technik der Verkehrsregelung erklärt übrigens auch, warum es an der Fußgängerampel am Calwer Kino mitunter zu langen Wartezeiten kommen kann. "Auch wenn der Eindruck entsteht, dass es sich dabei um eine reine Fußgängerquerung handelt, ist auch diese Ampel in das Gesamtkonzept integriert", erklärt der Straßenbauabteilungsleiter.

Empfindliches System

"Je nachdem, in welcher Abwicklungsphase der Fußgänger grün anfordert, kann es zu unterschiedlichen Wartezeiten kommen, da der Verkehrsstrom koordiniert ist und nicht willkürlich abgebrochen werden kann."

Aber ist das Verkehrssystem in der Innenstadt wirklich so empfindlich? Ja, sagt Hehr. Das könne man "am besten sehen, wenn beispielsweise Be- und Entladungsvorgänge dort stattfinden und sich dann sofort ein Stau aufbaut, welcher sich dann erst nach einer gewissen Zeit reguliert".

Kommentar: Kleineres Übel

Von Ralf Klormann

Wer sich häufig zu Fuß durch Calw bewegt – und dabei die Bischof- oder Bahnhofstraße überqueren muss – hat es sicher längst festgestellt: Auf die Fußgängerampeln zu warten kostet Zeit. Und Nerven. Dummerweise lässt sich daran nichts ändern, wie die Straßenbauabteilung des Landratsamtes erklärt. Der Verkehr durch die Innenstadt habe Vorrang. Erfreulich ist das für Fußgänger nicht – aber die richtige Entscheidung. Denn angesichts der Blechlawinen, die stetig durch die Stadt rollen und ihre Abgase zurücklassen, fällt es nicht schwer sich vorzustellen, wie dick die Luft im Falle täglicher Staus werden würde. Längere Wartezeiten für Fußgänger sind da das kleinere Übel. Und nebenbei übrigens auch eines von vielen Argumenten, warum der Bau des Calwer Tunnels, der irgendwann den Verkehr unter die Erde führen soll, kein Luxusprojekt ist. Sondern notwendig.