In einem Versuch wurde geprüft, ob die Kammerlösung in den HHB-Tunneln funktioniert. Foto: avmediafactory

Seit 2013 sucht man eine Lösung in den beiden Tunneln – nun besinnt man sich auf eine altbekannte.

Kreis Calw - .Sind bei der Planung der Hermann-Hesse-Bahn vier wertvolle Jahre ungenützt verstrichen? Im Calwer Landratsamt sieht man das nicht so. Und auch Naturschützer wollen in dieser Frage kein Öl ins Feuer gießen. Doch ein ehemaliger Mitarbeiter des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe legt eben diesen Schluss nahe.

"Wenn man gewusst hätte, wie viel Zeit – auch hier sind ja erhebliche Kosten angefallen – gewonnen worden wäre, wenn man den Vorschlag damals mutig geprüft hätte, wäre die Maßnahme wohl nicht abgelehnt worden."

"Wir sind froh, dass wir uns auf diese Lösung einigen konnten"

Der dies schreibt, heißt Oliver Schmidle und war 16 Jahre lang bei der Höheren Naturschutzfachbehörde beim RP in Karlsruhe beschäftigt. Im Rahmen dessen hatte er es von 2007 bis 2014 mit den naturschutzfachlichen Eingriffen der geplanten Hermann-Hesse-Bahn zu tun. Spätestens im Jahr 2013, so schrieb er nun unserer Redaktion, sei ihm klar gewesen, dass "aufgrund der großen Zahl an Fledermäusen in den Tunneln eine umfassende Lösung dieser artenschutzrechtlichen Herausforderung entwickelt werden muss."

Dass sich Schmidle in dieser Sache zu Wort meldete, war einem Bericht in unserer Zeitung geschuldet, dessen Titel zugleich die entscheidende Frage stellte: "Wer hat’s denn nun erfunden?" Ein Calwer Tüftler reklamierte die Lösung der Fledermausproblematik genauso für sich wie eine Mitarbeiterin im Verkehrsministerium von Winfried Hermann (Grüne), der im Streit zwischen dem Landratsamt und dem Nabu, der wegen des Millionenprojektes HHB um die Fledermauspopulation in den alten Tunneln fürchtete, erfolgreich vermittelte.

Schmidle legte nach eigenen Worten dem Calwer Landratsamt schon im Oktober 2013 eine Skizze vor, die im vorhandenen Tunnel einen zusätzlichen Tunnel für die Schienenfahrzeuge vorsah. Die Idee sei zwar damals im Calwer Landratsamt diskutiert, aber aus Kostengründen abgelehnt worden. Heute sind sich alle Beteiligten einig, dass eine solche Tunnel in Tunnel-Variante die einzig konsensfähige Lösung in der Fledermausproblematik darstellt.

Renate Fischer, Vorsitzende der Nabu-Gruppe Calw und Umgebung, begleitet das Schienenprojekt seit 2013. Sie erinnert sich noch gut daran, wie Schmidles Idee 2013 im Raum stand, aber als "einfach nicht machbar abgetan" worden sei.

Aber nachkarten will sie deswegen nicht. "Wir sind froh, das wir uns auf diese Lösung einigen konnten." Im Calwer Landratsamt, sagt Fischer, habe man die Fledermausproblematik anfangs eben "komplett unterschätzt".

Michael Stierle, HHB-Chefplaner in der Kreisverwaltung, sieht das freilich anders. Ja, man sei "relativ lange" einer Lösung nachgegangen, die nicht die Koexistenz von Zug und Fledermäusen zum Ziel gehabt habe. Einfacher ausgedrückt: Die Tiere sollten ursprünglich ausquartiert werden, weil diese Lösung, so Stierle, "dauerhafter erschien im Hinblick auf die Möglichkeiten im Schienenverkehr". Zudem wusste man um den großen technischen und damit den hohen Kostenaufwand, der mit einer Tunnel in Tunnel-Variante einher gegangen wäre. Stierle ganz offen: "Da wollten wir die Finger weg lassen."

Doch mit der fortschreitenden Zeit – im Sommer 2016 reichte der Nabu Klage gegen das Projekt ein – war auch den Verantwortlichen im Landratsamt klar geworden, dass man mit der Umquartierungslösung die Naturschutzverbände nicht überzeugen kann und besann sich unter Vermittlung von Verkehrsminister Hermann eben auf die Kammerlösung – Schmidles Idee vom Oktober 2013.

Vier verlorene Jahre? "Das würde ich nicht sagen", antwortet Chefplaner Stierle auf unsere Frage, "wir wussten damals nicht, wie viele Fledermäuse da waren." Zudem verfüge man heute über mehr Detailkenntnis, wie die technische Lösung aussehen soll: "Planerisch sind wir weiter." Wie teuer der Tunnel im Tunnel werden wird, hängt vor allem mit den verwendeten Materialien zusammen. Stierle denkt an Fertigbauteile in Stahlstäben, in die vorgefertigte Teile eingebaut werden.

"Wir gehen davon aus, dass wir den Faktor 1 nicht reißen"

Und zu teuer darf diese Kammerlösung nicht werden, sonst droht dem 50-Millionen-projekt der Förderentzug. In der standardisierten Bewertung, ein Verfahren zur gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Untersuchung von ÖPNV-Projekten, war das HHB-Projekt als förderfähig eingestuft worden.

Neue Mehrkosten wie jetzt diese Variante zum Schutz der Fledermäuse könnten den entscheidenden Indikator 1, der den Wert des Nutzen-Kosten-Verhältnisses angibt, indes gefährden. Doch Stierle ist überzeugt: "Wir gehen davon aus, dass wir den Faktor 1 nicht reißen."

Aber wirklich gebaut werden kann auf der Strecke nach Renningen noch lange nicht. Die Klage des Nabu liegt zwar auf Eis, aber noch harren zwei weitere Klagen – von Weil der Stadt und ein private Klage gegen das Planfeststellungsverfahren – einer Entscheidung vor Gericht. Und auch im Gemeinderat der Stadt Renningen liebäugelt man mit juristischen Schritte gegen die Hesse-Bahn.

Ungeachtet dessen bleibt Michael Stierle, was die Einweihung des Calwer S-Bahnzubringers anbelangt, Optimist: "Der Termin 2020 – der steht."