Mit Kennermiene probierte Kretschmann die Leckereien der regionalen Erzeugergemeinschaft "Schneewittchen" durch – und war sichtlich beeindruckt. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Winfried Kretschmann und Gattin Gerlinde machen auf ihrer Sommer-Wanderung Station in Calw-Holzbronn

Von Axel H. Kunert

Calw-Holzbronn. So sieht man einen Ministerpräsidenten draußen in der "Provinz" wohl eher selten: lässig in ausgebeulten Jeans und Hemd im Schlabber-Look. Dazu Schuhe, die wohl vor allem eines sind: bequem. Landesvater Winfried Kretschmann und Ehefrau Gerlinde machen derzeit Wanderurlaub im "Ländle". Und gestern machten sie unter anderem in Calw-Holzbronn Station – auf Einladung der Streuobstinitiative "Schneewittchen".

Okay, wirklich "Urlaub" und "privat", das war nur der gestrige Vormittag. Da wanderten Kretschmanns noch nur allein durch den Kreis Calw. Mit Ziel eben Holzbronn. Dann wurde es hier kurz dienstlich, Kretschmann musste mit sorgenvoller Miene telefonieren. Es ging wohl einmal mehr um die sich zuspitzende Flüchtlingsproblematik. Von der er später im "gemütlichen Teil" dann sagen würde, dass das vor allem derzeit sein "Stress" sei, den er mit Wanderungen wie der gestrigen wieder ausgleichen müsse. Und dann wurde das Ehepaar Kretschmann für einen Moment sehr entspannt und "bürgernah", als draußen vor dem Bürgersaal in Holzbronn ganz zwanglos Schnittchen herumgereicht wurden – und natürlich reichlich Apfelsaft und Schorle eben vom Gastgeber, der Streuobstinitiative.

Deren Geschäftsführerin Martina Hörmann schien es irgendwie die ganze Zeit noch gar nicht so richtig fassen zu können, dass da tatsächlich der Ministerpräsident von Baden-Württemberg höchstpersönlich alles Wissenswerte über die regionale Erzeugergemeinschaft abzufragen beabsichtigte. Tatsächlich kam dieser halb offizielle, halb – mit Blick auf Kretschmanns aktuellem "Urlaub" – private Termin auf Initiative des Staatskanzlei zustande. Dort suchte man nach einer Möglichkeit, die große Leidenschaft des Ehepaars Kretschmann – das Wandern – mit dem Aspekt Bürgerbegegnung, Ökologie und ein bisschen Unterstützung für eine lobenswerte Öko-Initiative zu verbinden. Und so kam man auf "Schneewittchen"; und auf eine gemeinsame Wanderung mit Bürgern durch die Streuobstwiesen zwischen den Calwer Ortsteilen Holzbronn und Stammheim.

Calws Oberbürgermeister Ralf Eggert, der die offizielle Begrüßung des Ehrengastes aus Stuttgart übernahm, freute sich sichtlich, dass der Landesvater es mache wie Viele: "Urlaub in Calw". Aber Eggert vermutete auch ein ganz klein wenig "Wahlkampf" hinter dem Besuch Kretschmanns, "was aber sicher legitim" sei. Aber wirklich nach Wahlkampf sah Kretschmann nicht aus. "Haben Sie abgenommen", fragt ohne Hemmung einer der anwesenden Holzbronner den Landesvater. "Ich kenne Sie ja nur aus dem Fernsehen. Und da sehen Sie immer etwas dicker aus."

Kretschmann ist etwas baff ob dieser schwäbischen Offenheit. Aber er bestätigt, dass ihm der Stress und die Sorgen (eben wegen der vielen Flüchtlinge im Land) einige Kilo die letzten Wochen gekostet haben könnten. Doch dann spricht er viel lieber über Streuobstwiesen, die immer noch vielerorts bedroht seien. "300 alte Obstbäume verschwinden noch jeden Tag im Land", hat er sich zum Thema briefen lassen. Deshalb sei es so wichtig, diese Tradition des ländlichen Lebens unbedingt wiederzubeleben. Eben mit solchen Projekten wie der Streuobstinitiative.

Und schließlich dürfen sich Ministerpräsident, die First Lady im Land und all die neugierigen und offiziellen Besucher durch die leckern Produkte von "Schneewittchen" durchprobieren. Viele Flaschen werden geöffnet – Saft, Cidre, Mischgetränke. Die Produktgeschichte dazu erzählt, etwa von der neuesten Kreation "Plum App", die Anfang des Jahres auf den Markt kam – entwickelt in Zusammenarbeit mit den Berufsschulen Calw und Nagold, speziell für die Schulen in Kreis und Land. Was denn drin sei, gibt sich Kretschmann neugierig. Apfelsaft, Pflaumensaft, Kräuterauszüge, Wasser und Kohlensäure, so die Antwort. Und mit spitzen Lippen und anerkennend schnalzender Zunge probiert der Landesvater auch diesen Tropfen.

Irgendwie scheint’s, dass es gerade zu gemütlich ist, dass niemand so recht aufbrechen will zur eigentlichen Streuobstwiesen-Wanderung. Die hat Hans Necker, der Naturschutzwart der Ortsgruppe Calw des Schwarzwaldvereins, zusammengestellt. Aber irgendwann sind alle Leckereien der Streuobstinitiative durchprobiert, und es gibt irgendwie keine echte Ausrede mehr, den Beginn der Wanderung weiter hinauszuzögern. Das Wetter ist ideal: Milde Temperaturen, ein bedeckter Himmel, aber so gut wie kein Niederschlag. Also heißt es Aufbrechen zur nächsten Etappe, diesmal zu einer Wanderung in der ganz großen Gruppe. Und ganz offiziell. Aber flankiert wieder mit vielen weiteren Informationen zu den diversen Projekten und Programmen von "Schneewittchen".