Auch optisch nicht alltäglich: Falko Hönisch im Gehrock. ­Begleitet wurde er von Festival-Chefin Christina Rahn. Foto: Schwarzwälder-Bote

Glasperlenspiele: Zweite Auflage des Festivals der Liedkunst trifft den Nerv des Publikums

Begeisterungsstürme für Glasperlenspiele: Die zweite Auflage des Festivals der Liedkunst lockt vor allem auswärtiges Publikum in die Hesse-Stadt.

Calw. "Was für ein wunderschöner Abend." Zuhörerin Riitta-Liisa aus Finnland brachte begeistert auf den Punkt, was die Glasperlenspiele, das Calwer Festival für Liedkunst, seinen interessierten Zuhörern auch in der zweiten Auflage bereits mit dem Eröffnungskonzert am Freitagabend zu bieten hatte. Ein bezauberndes Gesamtkunstwerk nämlich – das getragen wurde vor allem von dem eindrucksvollen Bariton Falko Hönisch, der unter der Überschrift "Dichterliebe" romantische Werke von Robert Schumann (eben den Cyclus "Dichterliebe"), Johannes Brahms ("Neun Lieder Opus 32") und dem heute weitgehend unbekannten Rudolf Wagner-Régeny ("Hermann-Hesse-Gesänge") interpretierte.

Falko Hönisch fällt auch optisch auf

Hönisch hatte vom ersten Ton an sein kundiges Publikum im großen Saal des Georgenäum fest in Griff. Es lag im quasi zu Füßen. Darunter auch Calws Oberbürgermeister Ralf Eggert, der – wie er in der Pause spontan bekannte – vor allem auch von Hönischs Mienenspiel zum Gesang tief beeindruckt war. Ein Gesamtkunstwerk eben, denn zur eindrucksvollen, einmaligen Musik kam hier Hönischs hochgewachsene, imposante Erscheinung. Ein Bild von einem Mann – wie die Musik aus der Zeit gefallen, mit einem Gesicht, einem Charakterkopf, wie wahrhaft aus der Epoche der Romantik herübergekommen. Zumal Hönisch sich traute, einen heute sehr raren Gehrock zu tragen.

Aber keine Kostümierung war das – es passte einfach zu Hönischs Persönlichkeit, seine packende Präsenz. Seinem einmaligen, unendlich facettenreichen Gesang. Und natürlich zu diesen romantisch-zerschmachtenden Texten von Dichtern wie Heine und eben Hesse – die tiefste Emotionen wie eine verlorene Liebe (Heine) oder Abschied und Tod (Hesse) in Worte und Verse zu fassen wussten. Man sah beim überwiegend – aber nicht nur – gereiften Liedkunst-Publikum, wie Interpret und dessen Lieder mit ihrer lebendigen Poesie den ein oder anderen erstaunlich gegenwärtig in die eigenen romantischen Erinnerungen zurückzuführen wussten. Begeisterungsstürme. Auch, wie es ein Sitznachbar mit glühender Verehrung formulierte, für die Klavierbegleitung von Festival-Chefin Christina Rahn, die ebenfalls einfach "sagenhaft gut" war.

Stimmenkombinationen, die man eher selten hört

Wobei beim zweiten Liedkunst-Konzert am Festival-Samstag der große Flügel des Georgenäum ganz deren Ehemann Stephan Rahn gehörte. Seine Weltklasse-Klavierbegleitung galt der Sopranistin Miriam Burkhardt und der Mezzosopranistin Judith Rautenberg. Solche Stimmenkombinationen hört man eher selten, ab und an in ausgesuchten Opern vielleicht. Aber die standen hier nicht im Mittelpunkt. Sondern wieder mal romantische ("Klänge aus Mähren", Antonin Dvorák), mal aber auch an diesem Abend gewagte moderne Klänge – wie etwa die eigens für diesen Abend komponierten und somit uraufgeführten zwei Lied-Perlen mit Texten von Hermann Hesse ("Welkes Blatt", "Sommerwanderung").

Siegfried Liebl würdigt Hermann Hesse

Siegfried Liebl, erfahrener Theater-Komponist und Lebensgefährte von Sopranistin Burkhardt, hatte eher spontan sich zu dieser Arbeit bereiterklärt. Wobei Hesse als wahrer Dichterfürst ein dankbarer Text-Lieferant für einen Komponisten sei, wie Liebl am Rande des Liederabends bekundete. Duette für Sopran und Mezzosopran auf Hesse-Texte gab es zudem bisher keine. Aber Liebls zwei Partituren würdigten, dass Calws großer Sohn eben ein ganz Großer war und ist. Auch ein moderner, immer noch zeitgemäßer Dichter – nur mit leichter Liebe zur Romantik vielleicht. Was Komponist Liebl in mal lebhaft, immer edle Klänge seiner Interpreten umzusetzen wusste. Und wenn sich der Ton von Sopran und Mezzosopran in Einheit trafen, wurde es geradezu hypnotisch in der Wirkung. Engelsgesänge. Begeisterungsstürme auch hier.

Wobei man auch diesem unfassbar begeisterungsfähigen Calwer Publikum ein echtes Kompliment zu machen hat – das, so scheint der Eindruck, jedoch nur zum geringsten Teil tatsächlich auch aus Calw und Umgebung stammt. Wie zum Beispiel Finnin Riitta-Liisa, die extra mit Freundin aus Freiburg angereist war – für das gesamte Festival-Wochenende. Während einer Wanderung im Frühjahr habe sie im Hirsauer Kloster den Werbeflyer der Glasperlenspiele entdeckt und sich "sofort dieses besondere Ereignis" im Kalender markiert.

Und dann waren da noch im scheinbar durchweg von weither angereisten Publikum die Bürgermeisterin Monika Kabs aus Speyer (samt Ehemann), der Wahlheimat von Festival-Chefin Christine Rahn, von dieser spontan zu den Glasperlenspielen eingeladen – da Kabs wie Rahn selbst, der Zufall will es so, in Calw geboren wurde. Womit dieses Festival dann auch noch irgendwie zu einem sympathischen Brückenschlag zwischen Nordschwarzwald und der Pfalz wurde.