Das Christgeburtsspiel aus dem alten Oberufer hat eine lange Tradition. Foto: privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Christgeburtspiel: Über Jahrhunderte als Volksgut mündlich überliefert

Calw. In der Waldorfschule wurde das Christgeburtsspiel aus dem alten Oberufer gleich zweimal aufgeführt. Vormittags wurden die Schüler mit diesem Spiel in eindrücklicher Weise auf das bevorstehende Weihnachtsfest eingestimmt und in die Ferien entlassen. Abends waren Eltern und die Öffentlichkeit zur zweiten Aufführung eingeladen.

Elfköpfige "Kumpanei"

Mit großer Hingabe und Begeisterung hatte die elfköpfige "Kumpanei" aus Lehrkräften, Eltern sowie weiteren Unterstützern der Schule diese urbildhafte Darstellung des Weihnachtsgeschehens unter Anleitung von Anna-Rebekka Hahn einstudiert und aufgeführt. Von zwei Flöten, einem Cello und einer Gitarre wurde das Spiel wohlklingend und gelungen musikalisch mitgetragen. Die Requisiten waren schlicht, die Sprache volkstümlich und einfach, die Kostüme dezent und doch prägnant.

Die Oberuferer Weihnachtsspiele haben ihren Ursprung im 13. und 14. Jahrhundert. Sie sind benannt nach dem Dorf Oberufer, das heute zur slowakischen Stadt Bratislava gehört. Sie wurden von Generation zu Generation über Jahrhunderte als Volksgut mündlich überliefert. Im 19. Jahrhundert entdeckte der Germanist Karl Julius Schröer sie wieder und nahm sie in seine Sammlung der Volkskunst auf. An der ersten Waldorfschule in Stuttgart führte man sie, auf Anregung ihres Gründers Rudolf Steiner, 1920 auf. Seither hat ihre Aufführung an vielen Waldorfschulen Tradition.

Donauschwäbischer Dialekt

Eine Besonderheit des Christgeburtspiels liegt darin, dass es im traditionellen, donauschwäbischen Dialekt aufgeführt wird. Dadurch wird – trotz ernster und feierlicher Passagen – der humorvolle und volkstümliche Tenor des Stücks unterstrichen. So zieht die "Kumpanei" singend auf die Bühne und grüßt im Stil mittelalterlicher Schausteller das Christuskind, die Autoritäten, das Publikum und auch die Requisiten, wie etwa "unser Sternenstangen, daran unser Stern tut hangen".

Für Gelächter in den Zuschauerrängen sorgten die Hirten auf dem Feld, die auf dem Glatteis ausrutschen und sich fast schon in slapstickhafter Manier um das einzige Paar Handschuhe streiten. Denn bei den Oberuferer Bauern spielt die Weihnachtsgeschichte nicht in Palästina, sondern in deren unmittelbarer Lebenswelt. Entsprechend herrscht auf dem Felde eisige Kälte.

Das Oberuferer Christgeburtsspiel verbindet Schlichtheit, Wohlklang und Humor mit tiefgründiger Bildhaftigkeit. Es nimmt die Zuschauer mit in ein tieferes, emotionales Verständnis der Weihnachtsgeschichte. Auch wenn nicht jeder die fremdartig klingende, schlichte und ursprüngliche Mundart immer verstehen mag, so sprechen die dargestellten Szenen und Gesänge doch für sich: das Geschehen in der Heiligen Nacht und die Geschichte der einfachen Hirten, die von der Geburt des Kindes als Erste erfahren und ihren Weg zur Krippe suchen und finden.

"Für die jüngeren Schüler liegt die besondere Freude im Wiedererkennen der Handlung, der Charaktere und Lieder", so die Lehrerin Franziska Großmann. Aber auch für die höheren Klassen und Eltern sei das Stück jedes Jahr aufs Neue interessant, weil gesellschaftskritische Aspekte angesprochen würden, die auf den wahren Gedanken von Weihnachten verwiesen. Nämlich nicht auf den finanziellen "Eventcharakter", sondern vielmehr die Mitmenschlichkeit und die Chance auf einen Neubeginn.