150 Millionen Euro kosten die Großprojekte, die der Landkreis in den kommenden Jahren stemmen will: die Reaktivierung der Hesse-Bahn, die Restrukturierung der Kreiskliniken und der Breitbandausbau. Rücklagen gibt’s dafür nicht. Fotos: avmediafactory/Deck/Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Haushaltsberatungen: Landrat fügt sich den Machtverhältnissen und muss Kreisumlage weiter senken als geplant

Quizfrage: Was ist das, wenn ein Landrat mit dem eigenen Vorschlag rein- und mit dem Vorschlag der Bürgermeister wieder rausgeht? Antwort: finanzpolitisches Fingerhakeln um die Kreisumlage – mit ziemlich einseitigem Kräfteverhältnis.

Kreis Calw. Landrat Helmut Riegger (CDU) wusste sofort, wann die Schlacht verloren war. Er war bereit, angesichts der guten Finanzsituation, in der sich der Landkreis befindet, die Kreisumlage abermals zu senken. Statt einem Hebesatz von zuletzt im Haushalt eingebrachten 30,5 Punkten – jeder Punkt nach unten oder nach oben bedeutet für Städte mit 10 000 Einwohnern eine Ersparnis beziehungsweise eine Mehrausgabe von 100 000 Euro – schlug er dem Verwaltungsausschuss des Kreistags eine weitere Senkung um 1,5 Prozentpunkte auf 29 Punkte vor. Riegger wollte damit die mehr als drei Millionen Euro, die vom Land an so genannten Schlüsselzuweisungen, höheren Sachbeiträgen für die Schulen und für den Soziallastenausgleich in den Kreishaushalt fließen, "1 zu 1 an die Kommunen weitergeben. Da bleibt kein Pfennig beim Kreis hängen."

Was aber bei den 29 Punkten in dem 183 Millionen-Haushalt nicht "eingepreist" sei, wären die Risiken, warnte Riegger. Zum Beispiel, wie sich die Flüchtlingssituation entwickelt, für die 15,5 Millionen im Haushalt bereitgestellt werden müssen: "Wir wissen nicht, was die Türkei macht, was in Afghanistan passiert." Aktuelle Gesetzesänderungen – wie beim Bundesteilhabegesetz oder beim Unterhaltsvorschussgesetz – reißen weitere Millionenlöcher in die Kreiskasse. Hinzu kommt der Verlustausgleich der Krankenhäuser: voraussichtlich 5,7 Millionen Euro im Jahr 2016.

Zugleich könne der Schuldenberg des Kreises, der durch die Ausgaben für die Flüchtlingsunterbringung auf 30,5 Millionen Euro stieg, nicht abgebaut werden, obgleich der Kreistag in einem "Rütli-Schwur" (Kreisrat Rainer Prewo, SPD) vor vier Jahren eigentlich eine jährliche Tilgung von einer Million Euro beschlossen hatte. Rieggers Appell an die Kreisräte: "Wir brauchen Mittel, um die Projekte voranzutreiben."

Für den Bau der Hesse-Bahn, die Restrukturierung der Kreiskliniken und den Ausbau des Breitbandnetzes im Kreis werden nahezu 150 Millionen Euro an Kosten taxiert. "Und wir brauchen eine vernünftige Mindestliquidität." Den Schuldenstand könne man auch bei einem Hebesatz von 29 Punkten nicht reduzieren.

Doch Rieggers Appell prallte an der geschlossenen Front der Bürgermeister im Kreistag ab. Volker Schuler, FWV-Fraktionschef und Bürgermeister von Ebhausen, sah in der Liquidität des Kreises in Höhe von 1,3 Millionen Euro noch "Luft" für eine weitere Senkung der Kreisumlage auf 28,3 Punkte. Jürgen Großmann, CDU-Fraktionschef und Stadtoberhaupt in Nagold, unterbot Schulers Vorschlag noch: "mit einem Delta von 28,0 bis 28,5 Obergrenze".

Da nutzte es wenig, dass die Nicht-Bürgermeister im Ausschuss sich vehement gegen eine noch stärkere Absenkung der Kreisumlage aussprachen. Hintergrund: Im Land würde der Kreis Calw damit – neben Biberach – mit die niedrigste Kreisumlage von den Kommunen einfordern.

Erich Klemm (SPD) hielt dies nicht für "verantwortbar: Schulden zahlt man, wenn’s einem gut geht." Karl Braun (FDP): "Bei allem Verständnis für die Kommunen – das ist absurd. Wir haben so viele Aufgaben und sollten Vorsorge treffen." Rainer Prewo, SPD-Fraktionschef und früher selbst OB in Nagold, versuchte es mit einem Kompromissvorschlag: Die Kreisumlage solle, wie von Riegger vorgeschlagen, bei 29 Punkten verharren, aber ein halber Prozentpunkt müsse im Gegenzug für die Schuldentilgung verwendet werden. Doch die Schultes-Phalanx hielt allen Gegenvorschlägen stand: "Das Risiko ist für die Gemeinden größer als für den Landkreis", meinte Volker Schuler.

Weil Freie Wähler und die CDU die Mehrheit im Kreistag inne haben, fügte sich Landrat Helmut Riegger den Machtverhältnissen: "Die beiden Fraktionen haben sich offensichtlich abgesprochen" – was von den Kontrahenten heftig dementiert wurde. Dem Kreistag will Riegger, dem Diktat der beiden großen Fraktionen folgend, nun eine Senkung der Kreisumlage auf 28,3 Punkte vorschlagen.

Einig war man sich, dass in diesem Zuge die beschlossene pauschale Kürzung der Schul- und Kulturetats um 150 000 Euro zurückgenommen wird, die in der Sitzung sowohl von den Grünen wie auch von der SPD heftig kritisiert worden war.