Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Kirchentag beginnt am Mittwoch. Und bei uns steigt das Fieber

Der Kirchentag beginnt am Mittwoch. Und bei uns steigt das Fieber – das Kirchentagsfieber. Aus allen Himmelsrichtungen werden erwartungsvolle Menschen nach Stuttgart kommen. Vom Säugling im Kinderwagen bis zum Hochbetagten mit Rollator oder Rollstuhl, von Frauen und viel mehr Männern, als wir das aus unseren Gottesdiensten gewohnt sind, von verrückt gekleideten Jugendlichen bis zum Paar in Kostüm und Anzug; sie alle werden da sein – und wir mittendrin!

Seit 35 Jahren tun wir das im festen Zwei-Jahres-Rhythmus: Wir stürzen uns für vier Tage ins Leben einer deutschen Großstadt, um zu sehen, zu hören, zu schmecken, zu besingen und zu feiern, was Kirche sein kann: Menschen auf der Suche nach ihrem Weg mit Gott, manche ganz ähnlich wie wir, viele total, manchmal sogar verstörend anders. Das ist so geblieben über all die Jahre und jedes Mal konnten wir erleben, wie aus dieser Vielfalt von Menschen über diese vier Tage eine Gemeinde gewachsen ist, in der Platz ist für alle, die beim Fest des Glaubens dabei sein wollen.

Verblüfft spüren wir jedes Mal, wie die spezielle Atmosphäre dieses Glaubensfestes, wie die unzähligen Ideen, Bekenntnisse und Zweifel, Angebote und Fragen, denen wir begegnen, wie ein warmer Mairegen auf uns kommen. Meine christliche Lebensbasis wird vom Alltagsstaub frei gewaschen. Manches wird ein bisschen Farbaufheller bekommen, und ich werde am Schlussgottesdienst auf dem Wasen sitzen und „"mit dem Herzen" wissen: Gott und sein Volk sind immer noch gut unterwegs – und ich bin dabei! So ermutigt und erfrischt können wir wieder zwei Jahre lang leben und mitarbeiten in unserer Kirchengemeinde.

Über 100 000 Gäste werden ähnliche Eindrücke mit nach Hause nehmen. Jede und jeder findet sein ganz persönliches Kirchentagsprogramm. Wie wäre es mit einer Bibelarbeit bei Andrea Nahles, Judy Bailey oder Frank-Walter Steinmeier? Ein Liturgischer Tag zu Psalm 90 oder eine Einführung ins Herzensgebet? Kirchenkabarett oder lieber eine Podiumsdiskussion über Ethik im wirtschaftlichen Handeln? "Händel meets Pop" oder ein Nachmittag im "Zentrum Älterwerden"? Die Nacht der Lichter beim Taizé-Gebet in der Porsche-Arena oder die Abendreihe "Endlichkeit", bei der es ums selbstbestimmte Sterben geht? Gehe ich zu Anselm Grün oder zu Samuel Koch, Giora Feidmann oder den WiseGuys? Lasse ich mich inspirieren von einem Workshop über neue Gemeindeformen, lerne ich Gottesdienste mit Demenzkranken kennen oder besuche ich ein interreligiöses Fest der "Kinder Abrahams"?

"… damit wir klug werden": Unter diesem Motto aus dem 90. Psalm versammeln wir uns. Gemeint ist: Ein weises Herz gewinnen aus dem Wissen um unsere Endlichkeit. Lernen, verantwortlich zu leben. Das braucht Offenheit und Neugier, sich auf einen spannenden Lernweg einzulassen und um die Wahrheit zu streiten. Leute, die immer alles besser wissen und meinen, sie hätten die Wahrheit und die Weisheit gepachtet, sollten in der kommenden Woche Stuttgart besser meiden.

Auf alle anderen freuen wir uns! Tageskarten gibt’s in Stuttgart. Wir sehen uns!

Helga und Dieter Raschko, Stadtkirche Calw