"Einer der saubersten Anlagen in ganz Deutschland": Das Restmüllheizkraftwerk in Böblingen. Foto: Fritsch

Böblinger Landrat nimmt Stellung zu Vorwürfen gegen Zweckverband Restmüllheizkraftwerk.

Kreis Calw/Böblingen - Missmanagement und eine verfehlte Personalpolitik werfen Kritiker dem Zweckverband Restmüllheizkraftwerk Böblingen (RBB) vor. Zu diesen Vorwürfen und zu einem von Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann ins Spiel gebrachten möglichen Verbandsaustritt des Kreises Calw nimmt Böblingens Landrat Roland Bernhard als Vorsitzender des Zweckverbandes in einem Interview Stellung.

Was sagen Sie dazu, dass der Landkreis Calw überlegt, den Zweckverband RBB zu verlassen?

Ein solches Ansinnen eines Verbandspartners würde mich verwundern, denn es wäre sachlich unsinnig und nur im Konsens mit allen Partnern umsetzbar. Formal sind die Voraussetzungen für ein Ausscheiden aus dem Zweckverband RBB klar geregelt. Die Verbandssatzung sieht vor, dass ein Austritt eines Verbandspartners einen Beschluss der Verbandsversammlung mit einer Mehrheit von 69/70 benötigt. Ein Austritt eines einzelnen Verbandspartners ist deshalb nur im Konsens aller Verbandspartner möglich. Derzeit freuen wir uns vielmehr darüber, dass wir von anderen Landkreisen signalisiert bekommen haben, über eine Partnerschaft nachdenken zu wollen, weil unsere Verbrennungspreise unter denen von Ausschreibungen kommunaler Müllmengen liegen.

Kritiker halten dagegen. Der RBB sei ein Millionengrab wegen viel zu hoher Verbrennungskosten und damit zu hoher Belastung der Gebührenzahler

Richtig ist, dass über die Zweckverbandsumlage die Gebühren für RBB in die Haushalte der Abfallwirtschaftsbetriebe der Verbandspartner eingehen. Im Landkreis Böblingen macht dies rund 20 Prozent der Kosten für die Gebührenzahler aus. Maßgebliche Kriterien für den Verbrennungspreis sind neben den Einnahmen die Anlagengröße und die Höhe der Abschreibungen für den Bau der Anlage. Zudem spielt auch die vielfache Unterschreitung der Umweltgrenzwerte der Anlage eine Rolle. Die ökologischen Spitzen-Standards dafür waren bei der Standortfindung wichtig, denn die Bevölkerung sollte so wenig wie möglich belastet werden. Im deutschlandweiten Vergleich der Verbrennungspreise landet die Anlage in Böblingen in seiner Vergleichsgruppe im Mittelfeld. Wir sind stolz auf eine Anlage, die zu den saubersten in ganz Deutschland gehört und zudem noch einen hohen Ausstoß an Fernwärme hat. Ich bin überzeugt davon, dass uns die zukünftige Marktentwicklung Recht geben wird.

Und wann ist mit niedrigeren Verbrennungspreisen im RBB und damit mit einer Entlastung der Gebührenzahler zu rechnen?

Seit vielen Jahren gelingt es dem RBB die Preise zu senken: Seit 2010 hat sich der Verbrennungspreis pro Tonne von 182 Euro auf heute rund 140 Euro absenken lassen. Die Verbrennungspreise werden bis 2024 weiter sinken, da die Belastung für die Finanzierung der Anlage abnimmt. Heute sind noch rund 40 Euro für die Anlagenfinanzierung im Verbrennungspreis enthalten. Künftig wird sich der Preis voraussichtlich bei rund 100 Euro einpegeln. Ob und in welchem Umfang die sinkenden Preise an die Gebührenzahler weitergegeben werden, obliegt allerdings nicht dem RBB, sondern den jeweiligen Abfallwirtschaftsbetrieben und deren Gremien

Was sagen Sie dazu, dass die Leasing-Geschäfte Millionenverluste eingebracht hätten?

Wir konnten im Gegenteil durch unsere besondere Finanzierung der Anlage finanzielle Erfolge erzielen. Der wichtige deutsche Lease hat uns im Vergleich zum kommunalen Kredit einen Vorteil von rund 20 Millionen Euro gebracht. Der US-Lease endete mit einer schwarzen Null – und damit ohne Verluste, wie sie viele andere kommunale Unternehmen hinnehmen mussten. Beide Finanzierungsgeschäfte wurden immer gemeinsam von allen Partnern im Zweckverband beschlossen.

Klingt nach alternativen Fakten. Den Verbundpartnern liegen andere Zahlen vor – von wegen schwarze Zahlen aus dem US-Leasing. Gibt es bei Ihnen zwei Buchhaltungen?

Natürlich nicht. Im Jahre 2009 wurde der US-Lease, der über die AIG abgesichert war, mit einer höheren Sicherheit mit US-Staatspapieren ausgestattet. In der Sitzung am 11. März 2009 haben alle Verbandspartner dafür einer Zahlung von 8,1 Millionen Euro zugestimmt. Der weiterhin bestehende Vorteil über Zinserträge liegt bei zehn Millionen Euro. Damit bleiben knapp zwei Millionen Euro für die schwarze Null aus dem US-Lease. Dem RBB sind zu diesem Vorgang keine anderen Zahlen bekannt.

Warum haben Sie zunächst einen Spitzenbeamten aus dem Calwer Landratsamt ermutigt, sich als Geschäftsführer zu bewerben und ihm dann in der Verwaltungsratssitzung die Unterstützung versagt?

Über einzelne Personalangelegenheiten sprechen wir grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit. In allen Bewerbungsverfahren für Führungspositionen bei RBB gilt aber, dass keinem Bewerber vorab Zusagen gemacht werden. Alle Bewerber müssen sich dem Auswahlverfahren stellen. Entschieden wird dann im Verwaltungsrat des Zweckverbandes, dem 19 Personen angehören.

... und Böblingen hat die Mehrheit und kann seine Personalentscheidungen auch gegen die kleineren Partner durchsetzen.

Die bisherigen Personalentscheidungen hatten alle die Besetzung von Werkleiter-Positionen zum Gegenstand. Bei den 15 stimmberechtigten Räten gab es auch bei der von Ihnen angesprochenen Entscheidung keinen "Böblinger" Block.

Warum halten Sie an Wolf Eisenmann fest angesichts der zahlreichen Fehlentwicklungen beim RBB?

Wolf Eisenmann besitzt nach wie vor mein vollstes Vertrauen. Er hat über viele Jahre erfolgreich den Zweckverband RBB geführt. Die Anlage wurde unter Kostenansatz gebaut, unter seiner Führung sind die Verbandspartner Calw und Freudenstadt dem Verband beigetreten, und die Abgabe von Fernwärme konnte in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt werden. Ich freue mich, dass Wolf Eisenmann sich bereit erklärt hat, in der Übergangszeit bis zur Berufung eines hauptamtlichen Geschäftsführers den RBB weiter ehrenamtlich zu führen. Der Verwaltungsrat hat die Verbandsverwaltung mit der Suche nach einem Geschäftsführer beauftragt. Ihm werden in Kürze hochkarätige Kandidaten vorgestellt.