Die Stadt zum Anfassen: Unter anderem Oberbürgermeister Ralf Eggert (rechts) hat das Modell bereits begutachtet. Foto: Klormann

Kunstwerk seit einigen Tagen auf oberem Marktplatz zu sehen. Aufwendiger Entstehungsprozess.

Calw - Die Calwer Innenstadt gibt’s jetzt auch zum Anfassen – und zwar im Wortsinne. Doch, ehrlich! Seit einigen Tagen steht auf dem oberen Marktplatz ein Modell, dass von einem anonymen Spender finanziert wurde.

Leere Gassen reihen sich aneinander. Ein einzelnes Auto steht bewegungslos auf der Bahnhofstraße. Eine Szenerie, die geradezu gespenstisch wirken könnte – wäre da nicht die Tatsache, dass nicht von der echten Stadt Calw die Rede ist. Sondern von ihrem originalgetreuen, 350 Kilogramm schweren Modell aus Bronze, das unterhalb der Stufen der Stadtkirche seit Kurzem zu sehen, zu fühlen und zu bewundern ist.

Auf sich selbst zu finden

2,32 Meter in der Nord-/Südausrichtung und 1,26 Meter zwischen Bischofstraße im Osten und der Bebauung "Im Zwinger" im Westen ist das Kunstwerk, das sogar auf sich selbst zu finden ist: Denn der Vollständigkeit halber ist auf dem Stadtmodell auch eine Miniatur seiner selbst angebracht.

Rund ein Jahr ist es her, dass Nils Hoy, Chef der Firma "Miniatur Hoyser" aus dem sächsischen Zschorlau, den Auftrag erhalten hatte, das Kunstprojekt umzusetzen. "Da steckt wahnsinnig viel Vermessungsarbeit drin", betont Oberbürgermeister Ralf Eggert, als er das Modell in Augenschein nimmt.

Denn lange bevor es an die Produktion des Modells ging, mussten die Maße der Stadt, der Gebäude, der Straßen – also von allem, was in Calw zu finden ist – erfasst werden. Von der Stadtkirche bis zur Lage einzelner Fenster in den Gebäuden. Mit einem Maßstab von 1:250 sei der Stadtkern im Vergleich zu Modellen anderer Städte übrigens ungewöhnlich groß dargestellt, erläutert Eggert.

Entstanden ist das Kunstwerk in mehreren komplizierten Arbeitsschritten. So fertigte eine Gießerei zunächst ein Negativmodell aus Silikon und daraus ein Positiv aus Wachs an. In mehreren Tonschichten wurde das Wachs eingehüllt und kam dann noch eine Woche lang bei 800 Grad Celsius in den Brennofen. Während der Ton gebrannt wurde, floss das Wachs aus.

Modell kostet rund 30.000 Euro

Zuletzt wurde die Bronze in die Tonform gegossen – und das Stadtmodell, das schließlich in vier teilen vorlag und zusammengeschweißt wurde, war geboren.

Nun steht es auf einem Granitsockel, in dem zudem eine Zeitkapsel aufbewahrt wird – unter anderem bestückt mit einer kleinen Hesse-Statue sowie einem von Eggert unterzeichneten Zettel, der das Einweihungsdatum bezeugt.

Rund 30. 000 Euro kostete das Projekt, das von einem anonymen Sponsor finanziert wurde.

Am Stadtmodell soll künftig auch der Ausgangspunkt des historischen Stadtrundgangs unter dem Motto "Folgen Sie dem Löwen" sein. Der Rundgang wird seit Kurzem auch durch QR-Codes unterstützt, die auf den Informationstafeln angebracht sind. Dieser Code kann von Smartphones, die mit einem bestimmten Programm ausgestattet sind, gelesen werden. Automatisch liefert das Smartphone dann eine mit diesem Code verknüpfte Information – im Falle des Stadtrundgangs eine Tondatei, mit der Wissen nicht nur les- sondern auch hörbar wird.

Eine sinnvolle Ergänzung, nicht zuletzt für blinde Menschen – vor allem im Zusammenhang mit dem Stadtmodell. Denn dieses gibt Sehbehinderten nicht nur die Möglichkeit, die Stadt selbst zu ertasten. Auch Straßennamen können gelesen werden – dank der Blindenschrift, die neben der Klarschrift zu diesem Zweck verwendet wurde.