Tia Pham im Gespräch mit Helmut Riegger. Links ist Projektmanager Albert Reusch zu sehen. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Gesundheit: Patientenorientiertes Zentrum zur Primär- sowie Langzeitversorgung ist das Ziel

Von Hans-Jürgen Hölle

Der Mediziner ist nicht der Hausherr. Er ist nur Gast im Leben des Patienten. Und die Patienten sind Teil des Gesundheitswesens.

Calw-Hirsau. So funktioniert das "Familiy Health Team" – die Gesundheitseinrichtung für die ganze Familie in Toronto/Kanada. Thuy-Nga (Tia) Pham, promovierte Ärztliche Direktorin des "South East Toronto Family Health Teams" hat das am Mittwochabend bei einer Informationsveranstaltung des Kreises für gezielt eingeladene Kommunalpolitiker, Ärzte, Apotheker, Vertreter von Krankenkassen und anderen aus dem Bereich Gesundheitsversorgung vorgestellt.

Vor Ort umgeschaut

Was das mit Calw zu tun hat? Ganz einfach. In diesem nordamerikanischen Land, das zwar viel größer als Deutschland ist, aber weniger Einwohner hat, stand man vor zehn Jahren ebenfalls vor der Frage, wie es mit der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung auf dem Lande weitergehen soll. Kanada scheint da eine gut funktionierende Lösung gefunden zu haben, wie Kreiskämmerer Albert Reusch und Eberhard Mauser, Berater im Gesundheitswesen aus Leonberg, vor Ort in Erfahrung bringen konnten.

Reusch ist der verantwortliche Manager des Kreises für das Projekt "Lokales Gesundheitszentrum Calw – Gesundheitscampus Calw". Es geht darum, die Primär- und Langzeitversorgung von Patienten zukunftsorientiert zu gestalten. Mit an Bord ist die Robert-Bosch-Stiftung. Diese hat ein neues Programm aufgelegt: "PORT – Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung". Und damit werden acht aus einem Kreis von bundesweit 60 Bewerbern ausgesuchte Initiativen unterstützt, die in den kommenden Monaten Konzepte für lokale Gesundheitszentren entwickeln. Eine davon ist Calw.

Die künftigen PORT-Zentren sollen, wie die Bereichsleiterin Gesundheit bei der Stiftung, Bernadette Klapper, erläuterte, die umfassende Grundversorgung der Bevölkerung in einer Region gewährleisten und eine bessere Versorgung von chronisch kranken Menschen aus einer Hand ermöglichen. Hier sollen multiprofessionelle Teams aus den Gesundheits- und Sozialberufen unter einem Dach zusammengebracht und dadurch neue Kooperationsformen etabliert werden.

Erfolgreiche Beispiele

Die Stiftung orientiert sich dabei an erfolgreichen Beispielen in Ländern wie Kanada oder Schweden. In Kanada haben sich Reusch sowie Mauser und Vertreter der anderen ausgewählten Initiativen auf Einladung der Robert-Bosch-Stiftung schon umgeschaut. Der Besuch von Tia Pham in Hirsau kam zustande, weil sie Wurzeln in Deutschland hat und hier gerade Urlaub macht.

Was die Ärztliche Direktorin in ihrer erfrischende Art vortrug, kam im Hirsauer Kursaal gut an. Ihre Vision für künftige PORT-Zentren in Deutschland: Sie sind auf den regionalen Bedarf abgestimmt. Sie setzen eine patientenzentrierte, koordinierte und kontinuierliche Versorgung um. Sie arbeiten als multiprofessionelles Team aus Gesundheits-, Sozial und anderen Berufen auf Augenhöhe- Sie nutzen neue Potenziale wie e-HEALTH (die elektronische Abwicklung von Kommunikation, Information und Datenerfassung zur medizinischen Versorgung, Dokumentation und anderer Aufgaben im Gesundheitswesen). Sie schließen Prävention sowie Gesundheitsförderung mit ein und sind kommunal gut eingebunden.

"Wir als Landkreis wollen die Zukunft gestalten, auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung der Bevölkerung", betonte nach dem Vortrag Landrat Helmut Riegger. Zuvor hatte er, nachdem er nochmals dargestellt hatte, dass mit dem Fast-Neubau des Krankenhauses in Nagold und dem beschlossen Neubau in Calw entscheidende Weichen schon gestellt worden sind, dafür plädiert, mit dem Gesundheitscampus etwas Neues zu wagen. Die Anwesenden forderte der Landrat dazu auf, mit auf diese Reise zu gehen. Bis Ende des Jahres, so Albert Reusch, soll das Calwer Konzept stehen.

Auf eine Reise hat Landrat Helmut Riegger die beim Informationsabend zum geplanten Gesundheitscampus Calw Anwesenden eingeladen. Diesen ist anzuraten, diese Einladung anzunehmen. Nicht nur, weil sie dann die weitere Entwicklung mitgestalten können. Genau sie werden nämlich gebraucht, um eine zukunftsträchtige Gesundheitseinrichtung für die ganze Familie – wie am Beispiel Family Health Team in Toronto/Kanada präsentiert – einzurichten. Dass dieses Modell 1:1 umgesetzt werden kann, ist eher unwahrscheinlich. Und der Kreis schaut sich ja auch noch anderweitig um. Aber eines ist klar: Veränderungen muss es wegen des zunehmenden Ärztemangels und anderer Probleme im Gesundheitswesen geben. Da nutzt es nichts, Altem nachzutrauern oder daran herumdoktern zu wollen. Man muss sich an Neues wagen. In Kanada hatte genau das Erfolg.