Schule und Religion – passt das? Ja, sagen Calwer Geistliche. Foto: dpa

Bauernfängern zuvorkommen: Diakon und Pfarrer erklären, warum Unterricht noch immer relevant ist. Mit Kommentar

Calw - Ist Religionsunterricht heutzutage noch nötig? Eine Mehrheit der Deutschen scheint dies laut einer repräsentativen Online-Umfrage nicht zu glauben. Calws Stadtpfarrer Dieter Raschko und Diakon Betram Bolz sehen das ganz anders.

Was in Luxemburg geht, dürfte auch in Deutschland eine gute Idee sein – so denken offenbar viele Menschen hierzulande. Das Nachbarland der Bundesrepublik hat zum neuen Schuljahr den konfessionellen Religionsunterricht durch einen allgemeinen Werteunterricht ersetzt, der sich nur noch am Rande mit Religion beschäftigen soll.

Eine Untersuchung förderte nun zutage: Rund 66 Prozent der deutschen Bevölkerung wünschen sich ein ähnliches Modell für die Bundesrepublik. Der evangelische Stadtpfarrer Dieter Raschko sowie der katholische Calwer Diakon Bertram Bolz halten das für keine gute Idee.

"Religionsunterricht ist für mich wichtig, um nicht zuletzt andere Weltreligionen vor Augen geführt zu bekommen", sagt beispielsweise Diakon Bolz. Eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik sei gerade in einer Zeit, in der sich viele Asylsuchende hierzulande aufhielten, "wichtiger als je zuvor".

Für Bolz ist Religionsunterricht ein Beitrag zur Völkerverständigung. Und ein Mittel, "um Bauernfängern zuvorzukommen", die Menschen mit Halbwahrheiten oder gar Lügen auf ihre Seiten ziehen wollen – egal, ob es sich dabei um rechte Parteien oder islamistische Fanatiker handelt. Diese Bildung sei somit auch geeignet, Fundamentalismus vorzubeugen. Auch Islamunterricht hält der Diakon für eine gute Idee – sofern dieser unter staatlich kontrollierten Bedingungen organisiert werde.

Wichtig: Wissen über Islam vermitteln

Für absolut überzeugte Atheisten gebe es darüber hinaus bereits eine Alternative zur Religionslehre in der Schule: den Ethikunterricht.

Jenen Ethikunterricht spricht auch Stadtpfarrer Dieter Raschko an – er hält das Fach jedoch nicht für einen völlig gleichwertigen Ersatz für Religionsunterricht. Ersterer versuche in erster Linie moralisches Wissen zu vermitteln – Letzterer beschäftige sich mehr mit existenziellen Fragen wie "Was ist überhaupt wichtig im Leben".

Zudem sieht auch Raschko eine der wesentlichen Aufgaben des Religionsunterrichts darin, Kenntnisse über andere Religionen zu vermitteln.

Der Pfarrer ist selbst Lehrer an der Grund- und Werkrealschule in der Calwer Badstraße und erfährt somit aus erster Hand, "wie wenig Wissen zum Teil vorhanden ist". Immer wieder erkläre er beispielsweise, dass der Islam nicht das selbe wie Islamismus sei. Und er versuche, dem Eindruck entgegen zu wirken, Religion sei "etwas potenziell Gefährliches". Vor allem Terroranschläge würden diese Ansicht immer stärker werden lassen.

Dass der Religionsunterricht demnächst von den Stundenplänen verschwinden könnte, fürchtet Raschko indes nicht. Neben allen anderen Argumenten sei das Fach schließlich in der Landesverfassung verankert.

Kommentar: Wichtiges Mittel

Von Ralf Klormann

Religionsunterricht sollte abgeschafft werden. Das meinen rund zwei Drittel der Deutschen laut einer aktuellen Umfrage. Besser nicht, sagen der Calwer Diakon Bertram Bolz und Stadtpfarrer Dieter Raschko. Das Wissen über Religionen sei heute wichtiger als je zuvor – gerade als Mittel der Völkerverständigung. Eine Ansicht, die nicht genug unterstützt werden kann. Denn die Ablehnung von Religionsbildung wird niemanden vor der Begegnung mit religiösen Menschen bewahren. Das Wissen über verschiedene Glaubensrichtungen kann dagegen Begegnungen auf Augenhöhe und den Weg zu friedlichem Miteinander ermöglichen. In Zeiten von Fluchtbewegungen, Islamismus und Nationalismus ist Religionsunterricht kein notwendiges Übel, das es in der Schule zu erdulden gilt. Sondern ein Mittel gegen Unverständnis, Hass, Gewalt – und für sozialen Frieden.