Acht- bis Zehntklässler beschäftigt besonders das Thema Ausbildung. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: ZiSch-Partner Raiffeisenbank im Kreis Calw und ENCW geben wertvolle Tipps / Auch "Spätzünder" haben Chancen

Kreis Calw. Zeitung in der Schule (ZiSch) heißt das Medienprojekt, das der Schwarzwälder Bote mit dem Medienbildungsinstitut Promedia Wolff und in Kooperation mit der Raiffeisenbank im Kreis Calw eG sowie der Energie Calw GmbH (ENCW) anbietet. Für rund 300 Schüler im Landkreis Calw aus 14 Schulklassen der Klassenstufen acht bis zehn stand damit während des Projektzeitraums die Tageszeitung auf dem Stundenplan. Die Acht- bis Zehntklässler beschäftigt besonders das Thema Ausbildung. Hierzu stellten die Schü ler Fragen an Elke Gerwig-Ganter, Personalleiterin der Raiffeisenbank im Kreis Calw, sowie an Cornelia Ress, kaufmännische Leitung und Ausbildungsleitung bei der ENCW.

Können Sie sich daran erinnern, wann Sie sich erstmals Gedanken über Ihre Berufsplanung gemacht haben? Blieb es dabei oder fanden Sie über Umwege zu Ihrem heutigen Beruf?

Gerwig-Ganter (Raiffeisenbank): Im Alter von 13 Jahren hatte ich mir erstmals Gedanken über die Berufsplanung gemacht und auch bereits Bewerbungen geschrieben. Meine Ausbildung begann ich mit 15 Jahren, danach absolvierte ich eine weitere Ausbildung und ein berufsbegleitendes Studium. So bin ich über Umwege zu meinem heutigen Beruf gekommen. Ich habe mein Ziel nie aus den Augen gelassen, und es soweit es ging immer verfolgt.

Ress (ENCW): Mein Lebenslauf ist nicht ganz gradlinig. Ich war mir lange Zeit unschlüssig über die Berufswahl. Zu meinem jetzigen Beruf bin ich über Umwege gelangt. Zunächst Jura-Studium, dann Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung im Energiebereich und seit 2009 kaufmännische Leitung bei der ENCW.

Die Teilnehmer von ZiSch sind zwischen 14 und 16 Jahre jung. Gymnasiasten haben noch die Oberstufe vor sich, die sie zur Orientierung nutzen können. Bei Haupt-, Werkreal- und Realschülern sieht das anders aus. Können Sie Tipps zu den ersten Schritten der Karriereplanung geben?

Gerwig-Ganter: Zu meiner Zeit gab es wenige Ausbildungsplätze und viele Bewerber. Oft mussten mehr als 30 Bewerbungen geschrieben werden. Trotzdem ist es wichtig, mutig an die Firmen heranzugehen, nicht aufzugeben, ein Ziel vor Augen zu haben – auch über Umwege wie eine weiterführende Schule oder eine erste Ausbildung eventuell in einem anderen Berufsbild. Kontakte zu Vereinen zu knüpfen, sich sozial zu engagieren, um möglichst viele soziale Kontakte nutzen zu können, kann hilfreich sein, um an eine Ausbildung zu kommen.

Ress: Frühzeitig viele verschiedene Praktika durchführen und so in viele verschiedene Bereiche reinschnuppern. Gespräche führen mit Familie, Freunden, Bekannten aus verschiedenen Berufszweigen und sich ihren Arbeitstag erklären lassen. Immer daran denken, dass man sich später beruflich verändern kann, falls man nicht die richtige Wahl getroffen hat.

Ihre Unternehmen bieten auch jungen Menschen mit Mittlerer Reife Ausbildungsmöglichkeiten. Welche Ausbildungen sind das?

Ress: Bei der ENCW sind dies Industriekauffrau/-mann, Informatikkauffrau/-mann, Elek troniker(in) für Betriebstechnik

Gerwig-Ganter: Bei der Raiffeisenbank ist dies die Ausbildung zur Bankkauffrau/zum Bankkaufmann. Die jungen Menschen sind zwar örtlich mehr an öffentliche Verkehrsmittel gebunden als ältere, jedoch ist es schön, ihre persönliche und berufliche Entwicklung mit formen zu können. In den drei Jahren der Ausbildung machen diese jungen Menschen einen enormen Schritt in die Erwachsenenwelt, sehen ihre Ausbildung in einer anderen Perspektive als Abiturienten oder Studienabgänger. Im ländlichen Bereich, in der Region, wissen sie, wie die Menschen ticken und können sich auf Kunden einlassen.

Haben Sie bereits Erfahrungen mit dem Realschul- Abschluss "9 plus 2" gemacht, der Realschülern ein Jahr mehr Zeit für ihre Abschlüsse und die Berufsorientierung gibt?

Ress: Ja, wir haben auch Azubis mit "9 plus 2" eingestellt und sehr gute Erfahrungen gemacht.

Gerwig-Ganter: In Ausnahmefällen – sehr gute Schüler, offene und kommunikative junge Menschen – haben bereits eine Ausbildung zum Bankkaufmann/zur Bankkauffrau mit dem Realschul-Abschluss "9 plus 2" absolviert. Sie sollten ehrgeizig, wissbegierig, lernorientiert sein, da sie auf jeden Fall mehr als ihre Mitauszubildenden mit höheren Schulabschlüssen leisten müssen, um dem Anforderungsprofil gerecht zu werden.

Es gibt auch "Spätzünder", junge Menschen, die erst etwas später Bezug zu Schule und Karriere finden. Sind sie bei Ihnen willkommen?

Gerwig-Ganter: Auch "Spätzündern" geben wir eine Chance. Zeit hat vom Grundsatz her niemand vertrödelt, er hatte nur kein entsprechendes Ziel vor Augen. Der Ausbildung geht ein längeres Praktikum voran, um die Ernsthaftigkeit und Eignung für die Berufsausbildung des jungen Menschen zu prüfen.

Ress: "Spätzünder" sind bei der ENCW herzlich willkommen. Wir stellen immer wieder Auszubildende ein, die ihre zweite Ausbildung bei uns absolvieren, weil die erste nicht die richtige Wahl gewesen ist. Grundsätzliche halten wir es für mutig und nicht schlimm, wenn jemand mit Mitte 20 erkennt, dass er einen anderen Weg gehen möchte.

Viele Fragen der ZiSch-Teilnehmer drehen sich um die Unsicherheit beim Start in die neue Lebensphase: Werde ich noch genügend Zeit für Freunde und Familie haben? Wie werde ich mit dem Stress am Arbeitsplatz umgehen können? Was, wenn es Streit mit Kollegen oder Vorgesetzten gibt? Was, wenn ich bei meiner Arbeit Fehler mache? Wie können Sie den jungen Menschen einige ihrer Sorgen nehmen?

Ress: Diese Sorgen kommen bei vielen jungen Menschen in der Berufs- und Zukunftsorientierung vor. Es ist verständlich, dass man sich Gedanken darüber macht, wie das Leben nach der Schule weitergeht – es ist schließlich ein großer Schritt und eine große Veränderung. Die Arbeitszeiten, weniger Freizeit, mehr Selbstständigkeit und die zunehmende Verantwortung… Jeder Mensch wächst an seinen Aufgaben. Wir unterstützen unsere Auszubildenden beim Start in das Berufsleben und über die gesamte Ausbildungszeit hinweg. Wir pflegen einen familiären Umgang miteinander, sind im ständigen persönlichen Kontakt und Austausch mit den Azubis, wir fördern und fordern sie in allen Bereichen. Wir legen großen Wert auf unser Gesundheitsmanagement und das Zertifikat "berufundfamilie" – hier pflegen wir viele verschiedenen Maßnahmen – beispielsweise in den Bereichen Stressprävention, gesunde Ernährung, ergonomische Arbeitsplätze.

Gerwig-Ganter: Die Umstellung von der Schule zur Ausbildung stellt immer eine Herausforderung dar. Der zeitliche Aufwand wird anfangs oft unterschätzt. Zeit für Freunde und Familie hat jedoch jeder Auszubildende, hierfür sorgen die geregelten Arbeitszeiten, der Blockunterricht in der Schule und die freien Wochenenden. Gegen Stress am Arbeitsplatz empfehlen wir Hobbys wie Sport, Musik, Lesen, einfach einmal abschalten. Streit mit Kollegen oder Vorgesetzten kennen wir zum Glück so gut wie nicht. Sollte es dennoch vorkommen, hilft immer ein klärendes Gespräch. Dies sollte man auf keinen Fall scheuen. Die Ausbildung ist da, um auch Fehler machen zu dürfen. Aus Fehlern wird man stark, wenn man sie nicht vertuscht und dahinter steht und lernt, es dann richtig zu machen.

Gibt es Grundregeln für erfolgreiche Bewerbungen – speziell in Ihrem Unternehmen, aber auch allgemein?

Ress: Saubere und vollständige Unterlagen, ...

Gerwig-Ganter: ... ordentlich und fehlerfrei. Am besten von jemandem durchlesen lassen, bevor man sie im Unternehmen abgibt.

Gibt es Tipps für das Vorstellungsgespräch ?

Gerwig-Ganter: Gut über das Unternehmen informieren. Die Kleidung sollte dem Unternehmen entsprechen – bei einer Bank eher souverän, bei einer Marketingfirma kann die Kleidung auch ausgefallener sein. Eigene Fragen stellen, zum Beispiel: Wie viele Auszubildende werden eingestellt? Welche Chancen habe ich nach einer Ausbildung, übernommen zu werden? Und auf Fragen des Gegenübers offen antworten, keine falschen Aussagen machen.

Ress: Bewerber müssen authentisch und ehrlich sein.

Wie wichtig ist Ihnen das Allgemeinwissen und welche Rolle spielt der kompetente Umgang mit Medien?

Ress: Allgemeinwissen über aktuelle Themen ist grundsätzlich vorteilhaft und für die persönliche Entwicklung eines jeden Menschen wichtig. Jeder möchte doch wissen, was um ihn herum und in der Welt passiert. Der kompetente Umgang mit Medien ist wichtig für uns – wir gehen hier davon aus, dass die junge Generation in diesem Bereich keine Berührungsängste hat. Grundsätzlich unterstützen wir unsere Auszubildenden in diesen Bereichen.

Gerwig-Ganter: Allgemeinwissen über das Geschehen vor Ort und in der Welt erachten wir als sehr wichtig, ist es doch auch für die Arbeitswelt von Bedeutung. Der kompetente Umgang mit Medien in der heutigen Zeit der Digitalisierung ist ebenfalls ein wichtiger Punkt im Rahmen der Ausbildung und späteren Berufsausübung.

Der Schwarzwälder Bote bietet jährlich das Projekt "ZiSch – Zeitung in der Schule" für die Klassen acht bis zehn aller Schularten an. Ziel des Projektes ist es, den Schülern einen Zugang zur Tageszeitung zu verschaffen und dadurch Medienkompetenz, Lesefähigkeit und Allgemeinbildung zu fördern. Hierfür liefert der Schwarzwälder Bote vier Wochen lang täglich einen Klassensatz Zeitungen an die Schulen. Zusätzlich erhält jeder Schüler einen Zugang zum Schwarzwälder Bote ePaper. Das medienpädagogische Institut Promedia Wolff stellt den Lehrern passgenaues Unterrichtsmaterial für ihre individuelle Arbeit mit der Tageszeitung (klassisch und digital) zur Verfügung. Neben der täglichen Zeitungslieferung wird den teilnehmenden Klassen auch ein Rahmenprogramm geboten: Besichtigung des Druckzentrums Südwest in Villingen-Schwenningen, Besuch eines Redakteurs in der Klasse, der von seinem Berufsalltag erzählt und Tipps zum Schreiben von Artikeln gibt, oder ein Besuch in einer Redaktion. Das Projekt wird seit vielen Jahren unterstützt durch die ENCW und die Raiffeisenbank im Kreis Calw, die zudem lehrreiche Recherche-Angebote zur Verfügung stellen. Der nächste "ZiSch"-Projektdurchlauf ist im Herbst geplant. Interessierte Lehrer können sich unter folgendem Kontakt informieren und ihre Klasse bereits vormerken: PROMEDIA Wolff, Team ZiSch, E-Mail: info@promedia-wolff.de oder Telefon 02409/2 13 99 13