Martin Schmeding brilliert mit Orgelwerken aus einer ziemlich ertragsarmen Epoche

Von Thomas Bopp

Calw-Hirsau. Jan Pieterszoon Sweelinck, der berühmte niederländische Renaissancekomponist und Organist an der Oude Kerk in Amsterdam, galt seinerzeit als "der Organistenmacher". Viele bedeutende Schüler sind damals aus seiner Lehre hervorgegangen. Ähnliches ließe sich heute über den Freiburger Orgel-Hochschullehrer Martin Schmeding sagen. Jetzt war er zu Gast in der Aureliuskirche Hirsau.

An der Rohlf-Orgel spielte er Werke aus der Zeit des Übergangs vom Barock zur Klassik, einer, was die Orgel angeht, ziemlich ertragsarmen Epoche. Schmeding spannte den Bogen ausgehend von der Orgelsonate D-Dur des Bach-Sohns Carl Philipp Emanuel Bach über eines der zahlreichen Orgeltrios seines Schülers Johann Ludwig Krebs (dem "einzigen Krebs im Bache", wie sich Johann Sebastian Bach über seinen Zögling mit größter Anerkennung geäußert haben soll) und ein Choralvorspiel über "Wer nur den lieben Gott lässt walten" von Gottfried August Homilius (auch er ein Schüler Bachs).

Zu hören waren eine Fantasie g-Moll von Johann Gottfried Müthel (der als einer seiner letzten Schüler sogar in Bachs Leipziger Haushalt mit aufgenommen worden war) und zwei Choralvorspiele des heute ganz in Vergessenheit geratenen Johann Christoph Oley.

Nicht zu vergessen Mozarts Orgelfantasie f-Moll und ein Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy, der im Zuge seiner damaligen Wiederentdeckung der Barockmusik auch zu eigenem Orgelschaffen inspiriert worden war.

Nicht nur in Bachs Sonate D-Dur vermochte Schmedings feinfühlige Agogik zu bestechen, die, hier etwa im langsamen Mittelsatz, die melodische Linie geschmeidig im Fluss hielt und der er zugleich eine artikulatorisch griffige Kontur verlieh. In deren beiden Ecksätzen hätte man sich allerdings von der Registrierung her eine enger beieinanderliegende Kontrastierung der klanglichen Ebenen der Tutti-Soli-Wechsel gewünscht. Insbesondere im ansonsten spielerisch locker gehaltenen Schlusssatz verstärkten die hohen Flötenregister, die Schmeding hier für die abschattierten Abschnitte gewählt hatte, die Weite des dynamischen Ambitus‘ noch um ein Zusätzliches.

Farbig, sehr durchsichtig und lebendig in Bewegung gehalten überzeugte Schmeding mit seiner Darstellung von Krebs‘ Trio d-Moll. Der stilistisch ungemein vielfältig angelegten Fantasie g-Moll von Müthel mit ihren überraschenden Wendungen gab er ein spannungsreiches Profil. Johann Christoph Oley erwies sich in den beiden Beispielen seiner Choralbearbeitungen als ein durchaus zu individuellen Lösungen gelangender Komponist des Zeitalters der Empfindung, der dem ornamentierten Verlauf des Chorals mit Vorliebe eine wie hingetupfte akkordische Begleitung verpasst.

In Mozarts aus den letzten Jahren seines kurzen Lebens stammender Orgelfantasie f-Moll zeigte Schmeding im spannungsvollen Wechsel ihrer dreiteiligen Anlage und ihrer retrospektiven Charakterzeichnung einen anderen Komponisten, als wie man ihn gemeinhin kennt.

Mit stürmischer Bewegtheit, drängend und agogisch frei agierend gab Schmeding zum Schluss Mendelssohns Allegro d-Moll ein prägnantes Profil, das mit Choral und Fugato im Finale die ganze kompositorische Bandbreite des Komponisten aufwies. Im zugegebenen G-Dur Präludium Mendelssohns überzeugte Martin Schmeding ein weiteres Mal mit spannungsreich entwickelnder Lebendigkeit, ausrundender Biegsamkeit und hoher Sensibilität.