Der Gekreuzigte im "Licht" der Strahlen der Versöhnungskirche. Foto: Tröger Foto: Schwarzwälder-Bote

Heumadener Gotteshaus feiert 50-jähriges Bestehen / Eberhard Sehmsdorf erläutert besondere Merkmale

Von Jeanette Tröger

Calw-Heumaden. Die evangelische Gemeinde in Heumaden feiert in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen ihrer 1965 vom bekannten Architekten Heinz Rall erbauten Versöhnungskirche. Im jüngsten Gottesdienst stellte Eberhard Sehmsdorf die Frage: "Was will uns die Architektur und die Ausgestaltung unserer Kirche sagen?"

Sehmsdorf begann seine Ausführungen im Stil einer Predigt mit der Symbolik der auf der Eingangstür abgebildeten Geschichte von Jona: "Gleichsam wie dieser befinden Sie sich jetzt im Bauch des Fisches. Sie sind nicht ertrunken in den Untiefen des Meeres. Sie sind noch einmal davongekommen, so wie der ungehorsame Prophet, den Gott dennoch aus dem Verderben gerettet hat." Als diese Kirche 1965 gebaut wurde, habe das Bild an die Erfahrung eines ganzen Volkes und vieler Einzelner erinnert. "Sie waren dem Chaos des Krieges mit letzter Not entkommen. Sie suchten Geborgenheit und einen Neuanfang, sie hofften auf die Stunde Null, dass nämlich das Leben noch einmal ganz von Neuem anfangen könnte – auch mit Gott", sagte Sehmsdorf.

Aber ganz so einfach war das seinen Worten zufolge nicht, und symbolisch macht das auch der Grundriss der Kirche deutlich: Wer hereinkommt und Zuflucht sucht in diesem mit seinen Betonwänden fast wie ein Bunker wirkenden "Schutzraum", muss gleich eine Kehrtwende vollziehen – er muss seinem Leben eine neue Richtung geben. Man geht nach Westen auf die Eingangstür zu, macht kehrt im Inneren und richtet seinen Blick nach Osten, so wie in allen alten Kirchen auch. Die aufgehende Sonne ist das Symbol für den wiederkommenden Herrn, der Blick nach Osten verdeutlicht: Dort liegt die Zukunft.

"Auch die Gemeinde, die 1965 ein erstes Mal in diese Kirche einzog, suchte eine neue Zukunft, sie wollte sich neu auf Gott hin ausrichten", führte Sehmsdorf aus. Aber die Menschen würden auch heute eine graue, brutale, geschlossene Betonwand sehen. Alles, was an Gott erinnere, sei zugestellt von dieser bedrückenden Wand. Der Architekt bringe damit zum Ausdruck, was damals viele Menschen beschäftigte. Wie ist es nach all dem Kriegselend und den zig Millionen Opfern noch möglich, von Gott zu sprechen? Und auch heute begleite einen ständig die Frage. Wo ist Gott? Bei all den täglichen furchtbaren Nachrichten, der Angst, dass man selbst von einem Augenblick zum anderen abstürzen könne. Dann stehe auch der heutige Mensch vor dem Nichts, vor einer Wand, die die Zukunft verbaut.

"Unsere Versöhnungskirche lässt uns mit unseren Zweifeln nicht allein. Sie erlaubt uns zumindest einen ersten Lichtblick über das Grau in Grau hinaus." Sehmsdorf beschrieb das kleine Fenster hinter dem Taufstein, durch das die Morgensonne die Dunkelheit des Raumes durchbricht. Und wenn man den Blick über die Osterkerze weiter nach rechts wandern lasse, dorthin, wo die Wand immer mächtiger wird, falle der Blick auf den Gekreuzigten mit seinen überlangen, zerbrechlich wirkenden Gliedmaßen.

Während die Wand den Blick in die Zukunft verstellt, zeige sich vor dieser Wand der Gekreuzigte überdeutlich. Auf ihn solle man schauen, wenn man fragt: Wo ist Gott? Blicke man von der Seite auf ihn, bemerke man, wie sein Leib ihn nach unten zieht – das Leiden springe einem ins Auge. Von vorne sehe man eher den aufrecht stehenden Jesus, dessen Arme wie zum Siegeszeichen ausgebreitet seien. Er habe den Tod besiegt und segne einen von seinem Kreuz herab.

Sehmsdorf lenkte den Blick der Gemeinde auch auf den höchsten Punkt der Wand. Das von dort oben ausgehende Strahlenbündel erfasse wie ein Lichtkegel das Kreuz sowie die Kanzel und erinnere an Pfingsten, als in feurigen Zungen Gottes Geist auf die Gemeinde herabkam. Es sei Gottes Geist, der den Gekreuzigten hier als Quelle neuer Kraft und als Grund für Hoffnung zeigt. "Und das ist Versöhnung und die Zukunft, zu der wir als Christen berufen sind", schloss Sehmsdorf seine Ausführungen.