In der ältesten Turnhalle Württembergs befindet sich heute ein Café. Foto: Hölle Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Die älteste Turnhalle ganz Württembergs feiert heute ihren 200. Geburtstag

"Frisch, frei fröhlich und fromm – ist des Turners Reichtum": Unter diesem Wahlspruch von Turnvater Jahn schlossen sich am 18. Oktober 1816, also heute vor 200 Jahren, fünf junge Männer zu einem Turnverein in Hirsau zusammen.

Calw-Hirsau. Es war ihnen "mit Ernst um das liebe Vaterland zu tun und um das Wissen, was ihm not tut." Hirsau zählte zu dieser Zeit 350 Einwohner.

In Erinnerung an den Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig 1813, in der Preußen zusammen mit Österreich und Russland gegen die französischen Armee gesiegt hatte, legten sie den Gründungstag ihrer Turngesellschaft auf den 18. Oktober 1816.

Tagebuch 1972 entdeckt

Dass man über die Gründung des ältesten württembergischen Turnvereins überhaupt etwas weiß, ist einem Fund Siegfried Greiners zu verdanken, der das Turntagebuch 1972 entdeckt und erworben hat.

Darin finden sich Regeln zum Vereinsleben, die Übungen der Turner und deren Fortschritte, die Art der Turnkleidung und die Behandlung der Geräte.

Der Gründungsvater des Hirsauer Turnvereins und der Verfasser der Vereinssatzung war Friedrich Wilhelm Klumpp (1790-1869). Er war Lateinlehrer in Vaihingen/Enz, hatte in Tübingen Theologie studiert und kam mit den Ideen der Jahnschen Turnkunst in Berlin 1811 in Berührung.

Friedrich Ludwig Jahn eröffnete im selben Jahr den ersten öffentlichen Turnplatz auf der Hasenheide in Berlin. Als glühender Gegner Napoleons war er gegen die Kleinstaaterei und für ein einheitliches Deutschland.

Mit der Devise "Turnen fürs Vaterland" hatte er die deutsche Turnbewegung ins Leben gerufen. Sein Turnen war also von Anfang an politisch motiviert: Die Leibesübungen hatten nationale Bedeutung für die Verteidigung des Vaterlandes.

Sinngemäße Betätigungen

In Jahns Turnbuch "Deutsche Turnkunst" (1816) galten neben den Übungen an den Geräten noch Wandern, Fechten, Ballspiele und Schwimmen als sinnvolle Betätigungen. So ist im Tagebuch der Hirsauer eine Turnfahrt verzeichnet, die zur Burg Waldeck führte und nach Neubulach.

Im Hirsauer Turnhaus, dem ehemaligen Wagenhaus des Klosters, stand ein neu angeschaffter Schwengel oder Schwingel (ein Turnpferd), und es wurde berichtet, dass "besonders am Schwengel bedeutende Fortschritte gemacht wurden, weil dies im Turnhaus diesen Winter auch meistens getrieben werden konnte."

Bei gutem Wetter wurde auf dem Turnplatz vor dem Schloss geübt, wo ein Klettergerüst mit Leiter, Stange, Seil und Mast stand. Mit dem Ger (Wurfstab) warf man nach einem Holzpfahl. Am Springel übte man den Freisprung ohne Stab.

In Hirsau endete die Geschichte des Turnvereins am 10. August 1817. Die Eintragungen im Tagebuch enden im Juni 1817 und der Verein bestand wegen Wegzugs zweier Turner schlussendlich noch aus drei Männern. Das Turnhaus, die auch als die ältestes Turnhalle gilt, steht aber immer noch – in ihm befindet sich heute das "Café im Kloster".