Der Vorbereitungskreis des Männertreffs mit dem Referenten (von links): Helmut Hackstein, Roland Pfrommer, David Holinstat und Bernhard Reich. Foto: Stöß

David Holinstat spricht beim ersten Altburger Männertreff über Religion. Glaube und Politik Israels hängen nicht zusammen.

Calw-Altburg - Vier Männer unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft haben den Altburger Männertreff ins Leben gerufen. Mit der ersten Veranstaltung landeten sie im Altburger Gemeindehaus einen Volltreffer.

"In unserer Gemeinde gibt es viele Gruppen und Kreise für Frauen, aber nichts für Männer. Nun wird angestrebt, regelmäßig Themen von allgemeinem Interesse aufzugreifen, um Männer inner- und außerhalb der Kirchengemeinde Altburg anzusprechen", sagte Bernhard Reich bei der Begrüßung.

Um es vorweg zu nehmen: Reich war am Ende des Abends "vor allem mit dem Ergebnis zufrieden". Die 14 männlichen Gäste waren nicht nur stille Zuhörer, sondern lebhafte Diskutanten. Ganz im Sinne des Referenten, der ausdrücklich zum Austausch und Dialog einlud. Mit dem Thema "Wie leben Juden heute ihren Glauben bei uns?" traf der Referent auf Neugier, Interesse und vermutlich auf die ein oder andere vorgefertigte Meinung.

David Holinstat, Mitglied der Repräsentanz der Israelischen Religionsgemeinschaft Württemberg, berichtete aus seinem Leben sowie aus der jüdischen Gemeinde. Der Verein, den Holinstat vertritt, fühlt sich den Grundsätzen der Thora (sozusagen die jüdische Bibel) verpflichtet, welche verantwortliches und nachhaltiges Handeln zur Errichtung einer friedlichen, gerechten und alle Menschen umfassenden Gesellschaft fördert. Die Ausgestaltung religiöser Gebote bleibt allerdings eine Gewissensentscheidung des Einzelnen. Dieser Gedanke stieß auf aufhorchendes Interesse. Im jüdischen Glauben gibt es nämlich keine Hierarchie, wie es bei anderen Glaubensrichtungen der Fall ist. Ziel ist es für Holinstat, Juden die Ausübung ihrer religiösen und kulturellen Bräuche zu ermöglichen.

Er fühlt sich sicher, aber...

Der US-Amerikaner fühle sich nach mehr als 30 Jahren immer noch sehr wohl in Deutschland. Auf die Frage eines Zuhörers, ob er sich in Deutschland sicher fühle, antwortete er mit "Ja", um dann das "Aber" anzufügen. Bestimmte Entwicklungen machten ihn nervös. Dass im Stuttgarter Landtag immer noch ein Abgeordneter sitzt, der die schlimmsten Ereignisse in Deutschland leugne, dürfe zurecht diskutiert werden.

Ein Teilnehmer fragte, ob sich das "Judentum nur über den Glauben definiert" – ein anderer wollte detailliert über koscheres Essen informiert sein. Ein Mann mochte für sich das Recht in Anspruch nehmen, dass er auch Kritisches zu Israel sagen darf, ohne gleich als Antisemit zu gelten. Holinstat bejahte dieses Statement ohne Wenn und Aber. Er wehrte sich jedoch vehement gegen die Verallgemeinerung "die Juden" und erklärte dies einleuchtend.

Aufklärungsarbeit hat Holinstat auch dahingehend zu betreiben, als dass der jüdische Glaube und die Politik Israels nicht im Zusammenhang zu sehen sind. "Israel ist mit großem Anteil ein säkularer Staat – mit Judentum hat die Staatsführung zuerst einmal nichts zu tun." Schon Herzel (Gründer Israels) hatte dieses weltliche, nicht religiöse Gedankengut als Antriebsmotor. Heutzutage sind mehr als 80 Prozent säkular orientiert. In Deutschland sei es übrigens auch nicht anders. Der Hauptteil der in Deutschland lebenden Juden sei weltlich und liberal gestimmt.

Die Menschen nehmen oft nur das orthodoxe und fundamentalistische Judentum in den Medien wahr. Doch in Wirklichkeit seien der Staat Israel und die Religion Judentum zwei völlig verschiedene Sachverhalte, für deren trennende Betrachtung er immer wieder werbe.

Der US-Amerikaner vertritt die religiöse Seite des Judentums. So berichtete er über die jüdischen Feste, die jüdische Esskultur und der Tatsache, dass man automatisch mit der Geburt den jüdischen Glauben erlangt (sofern die Mutter Jüdin ist). Dass neben den 125.000 in Deutschland offiziell erfassten Juden eine ebenso große Anzahl nicht erfasster Juden vermutet wird, kann neben anderen Gründen trivial sein: Wie bei unseren Glaubensformen gibt es auch im Judentum Menschen, die schlicht und einfach durch Nichtangehörigkeit Steuern sparen möchten.

Den historischen Jesus (Jude) erkennt Holinstat als Person an. Als Prophet jedoch nicht. Während andere Regionen auch an das Heil im Himmel glauben, lebt der jüdische Glaube überwiegend im Hier und Jetzt. Der jüdische Ansatz ist, dass es den messianischen Juden so nicht gibt, denn "wir warten noch auf den Messias". Und: Der jüdische Glaube missioniere nicht.

Im Laufe des Abends wurde zunehmend deutlich, dass auch im Judentum zwei oder mehrere Seiten und Betrachtungsweisen möglich sind.

Das Fazit des Abends vermittelte der US-Amerikaner sodann überzeugend: Egal, in welcher Religion man sich zu Hause fühle, sei es wichtig, sich gegenseitig zu respektieren und zu tolerieren.

Bernhard Reich entließ die Männer aus dem ersten Männerabend mit einem Blick auf das kommende Frühjahr. Dort werde der Islam Thema sein. Zuvor kann man(n) am 3. Dezember eine Synagoge in Stuttgart besuchen. Anmeldungen sind unter Telefon 07051/6246 möglich.