Einem Patienten wird von einer Ärztin das Herz abgehört. Im Kreis Calw bahnen sich Probleme bei der hausärztlichen Versorgung an, weil viele Mediziner kurz vor der Pensionierung stehen. Und es wird immer schwieriger auf dem Land, für sie einen geeigneten Nachfolger zu finden. Foto: Frank May dpa

Viele Praxen im Landkreis finden keinen Nachfolger. FWV-Fraktion fordert Masterplan. "Kliniken nicht isoliert betrachten."

Kreis Calw - Obwohl es in Deutschland immer mehr Ärzte gibt, wird die ärztliche Versorgung in der Fläche schlechter. Was die Zahl der niedergelassenen Mediziner angeht, liegt der Kreis Calw zwar im Landesdurchschnitt. Rund 1500 Einwohner kommen hier auf einen Hausarzt. Dennoch schlagen die Freien Wähler im Kreis Alarm, weil viele frei werdende Stellen nicht mehr besetzt werden.

100 Hausärzte stehen im Kreis Calw in der offiziellen Statistik, hinzu kommen noch 123 Fachärzte. Bei rund 150.000 Kreisbewohnern schneidet der Kreis damit sogar besser ab als der Nachbarkreis Böblingen, wo auf 1622 Bewohner ein Hausarzt kommt, oder in Freudenstadt, wo ein Hausarzt durchschnittlich 1605 Menschen betreut.

Aber vor allem was die Altersstruktur angeht, weist der Kreis Calw Besonderheiten auf. Während im Landesdurchschnitt nur jeder dritte Hausarzt über 60 Jahre alt ist, sind es im Kreis Calw 41 Prozent, also mehr als zwei von fünf. Noch deutlicher ist der Unterschied von Landes- zu Kreisebene bei den Orthopäden und Chirurgen. Im Land hat nicht mal jeder vierte von ihnen die 60 Lenze überschritten, im Kreis Calw ist es jeder zweite.

Dass eine solche Altersstruktur bei den Medizinern nicht ohne Folgen bleiben, sieht man in der aktuellen Entwicklung. "In Altensteig sind wieder zwei Ärzte ohne Nachfolger", konstatiert Volker Schuler, Chef der Freien Wähler-Fraktion im Kreistag. Nicht nur der Süden des Kreises sei von solchen Nachwuchsproblemen betroffen. Auch in Neuweiler, so Schuler, werde zum Beispiel darüber geklagt, dass Hausarztstellen nicht mehr ausreichend besetzt seien. Erschwerend komme hinzu, dass in den kommenden Jahren weitere Hausärzte altershalber aufhören würden und die Nachbesetzung sehr unsicher sei.

Die Freien Wähler sehen deshalb die Krankenhausdiskussion nicht isoliert von der ärztlichen Versorgung im Landkreis generell und fordern eine enge Verknüpfung der beiden Themenpunkte. Schuler: "Schon bei der Stellungnahme zum Haushalt und jetzt wieder bei der Diskussion um das Szenario 3 + stellten wir fest, dass die Hausärzteversorgung stärker in den Blickpunkt gerückt werden muss. Auch wenn die Vorschläge über eine Attraktivierung des Arztberufes im ländlichen Raum von Bund und Land kommen müssen, so müssen wir uns im Landkreis Calw darauf vorbereiten und unsere Möglichkeiten nutzen."

Dazu gehören nach Meinung der Freien Wähler Projekte wie die medizinischen Versorgungszentren an den Klinikstandorten, um Facharztstellen zu halten, genauso wie der Ausbau und das Angebot der Kreiskliniken als Lehrkrankenhäuser, um Ärzte überhaupt in die Region zu bringen. Die FWV-Fraktion fordert deshalb einen Masterplan, wo kreisweit ersichtlich ist, wo Defizite bestehen und mit welchen Lösungsvorschlägen und Angeboten man diese Standorte anbieten kann. Vielfach sei es gar nicht bekannt, welche Betreuungs-, Raum-, Bauplatz-, Kultur, Praxis- und Stellenangebote es im Landkreis gebe. Die Freien Wähler wollen, dass der Landkreis zusammen mit den Kommunen, dem Klinikverbund und niedergelassenen Ärzten Strategien entwickelt, wie die Situation verbessert werden und Ärzte geworben werden können.

Die meisten Hausärzte gibt es übrigens in Calw (19), gefolgt von Nagold (18), Schömberg (8), Bad Wildbad (7) und Altensteig (6). Die stärkste Gruppe bei den Fachärzten stellen übrigens die Psychotherapeuten (35), gefolgt von den Frauenärzten (18) und den Orthopäden (14).