IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler (Mitte) mit den beiden Schirmherren der "1. Tagung für Familienunternehmen", Nicolas Lindner (links; 3. Unternehmer-Generation) vom Calwer Unternehmen Börlind und Philipp Steiff (3. bis 6. Unternehmer-Generation), Gesellschafter der Margarete Steiff GmbH in Giegen an der Brenz. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaft: Nur 7,9 Prozent der inhabergeführten Firmen erleben vierte Generation / IHK und SRH zeigen neue Wege auf

Familienunternehmen haben ein Problem: Knapp zehn Prozent von ihnen schaffen den Übergang von der ersten zur zweiten Unternehmer-Generation nicht – heißt: Betrieb und Arbeitsplätze gehen verloren. Und gar nur 7,9 Prozent aller Familienunternehmen erleben die vierte Generation.

Nordschwarzwald. Genau dieses Phänomen ist Forschungsschwerpunkt von Sven Cravotta, Professor der SRH Hochschule Calw. Weshalb er gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordschwarzwald und Unterstützern aus der regionalen Wirtschaft die "1. Tagung für Familienunternehmen" organisiert hat – mit gewaltiger Resonanz, die zeigte, dass auch den Betroffenen selbst die besondere Herausforderung beim Generationsübergang bewusst ist.

Knackpunkte sind Steuern und Bürokratie

Über 200 Vertreter aus Unternehmen, Lehre, Verwaltung und Politik waren es, die in den Räumen der IHK Nordschwarzwald in Pforzheim die verschiedenen Vorträge und Workshops zu diesem Thema besuchen wollten.

Wie groß und "bedrohlich" die Problematik auch für die Region ist, umriss IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler in seiner Begrüßung: Aktuell stünde bei rund 1000 Unternehmen allein im Schwarzwald das Thema Nachfolge auf der Tagesordnung. Gerade hier – wie in ganz Baden-Württemberg – seien diese meist mittelständischen Unternehmen das eigentliche Rückgrat der Wirtschaft und des Wohlstandes der Region.

Wobei Keppler "zwei große Knackpunkte" beim Betriebsübergang innerhalb von Familien ausmachte: der Bereich Steuern, etwa beim Vererben von Unternehmen; und die zunehmende Belastung durch Bürokratie, die die Unternehmensführung gerade in mittelständischen Strukturen vor immer neue Aufgaben stelle, die die Produktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe belasteten.

Daneben, so die Ergänzung von Sven Cravotta am Rande der Tagung, gebe es aber auch ein "systemisches Problem" bei Familienunternehmen: "Wenn sich die Belange der Familie und des Unternehmens mischen, entstehen die kritischen Konflikte." Wenn sich also Emotionen aus dem Familienalltag der Unternehmerfamilie in die Entscheidungsprozesse des Betriebs "einschleichen".

Das Gleiche gelte, wenn die vorangegangene Generation die Führung und Verantwortung beim Übergang auf die Nachfolger "nicht loslassen" könne. Und dabei die "emotionale Dynamik" der Familie die notwendigen unternehmerischen Entscheidungsprozesse belaste oder gar komplett blockiere. Die Faustregel, die tatsächlich noch gelte – wie seine Forschungen in diesem Bereich in den letzten Jahren gezeigt hätten -, sei, so Cravotta: "Die erste Generation baut auf, die zweite erhält; und die dritte ruiniert’s." Um das zu vermeiden, sei es enorm wichtig für Familienunternehmen, "sich straffe und strenge Strukturen" in der Unternehmensführung zu schaffen, die es ermöglichten, die Emotionen aus der Familie von den Entscheidungen für den Betrieb strikt zu trennen. "Das kann die Einrichtung von beratenden Gremien wie etwa Beiräten sein", aber auch das Einbinden von "Fremd-Managern" in die Geschäftsführung, um durch solche "hybride Geschäftsführungs-Strategien" eine Versachlichung von Entscheidungsprozessen zu erreichen.

Seine Forschungen hätten gezeigt, erläutert Cravotta, dass zum Beispiel im Industrie-Bereich exakt 535 Familienunternehmen in ganz Deutschland in der vergangenen Jahren den Generationsübergang erfolgreich geschafft hätten. "Von diesen Unternehmen gilt es zu lernen." Wobei die Struktur der Geschäftsführung nur eine "Stellschraube" zum Erfolg für Familienunternehmen sei.

Weshalb die erste Tagung dieser Art auch aufzeigen wolle, wie Familienunternehmen ihr besonderes Profil – nämlich zum Beispiel die hohe soziale Kompetenz und Verantwortung durch die Verwurzelung in einer Region als Arbeitgeber – im globalen Wettbewerb zu ihrem Vorteil nutzen könnten. Aus diesem Grund wurden zur Tagung neben einem Workshop zur Unternehmensnachfolge auch zwei weitere zu den Themenbereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung angeboten.

"Die Nachfolge haben wir in unserem Betrieb gerade erfolgreich bewältigt", meinte etwa Piet Schaber, der Junior des Calwer Modehauses Schaber. "Und die Digitalisierung ist für uns als stationärer Händler nicht die primäre Herausforderung", weshalb er sich für die Teilnahme beim Workshop "Nachhaltigkeit" entschied – und damit genau richtig lag: Referentin Rena Haftlmeier-Seiffert von der EQUA-Stiftung "Verantwortung für Familienunternehmen" machte ausgerechnet das Beispiel von "nachhaltigen Jeans-Hosen", wie sie Mode-Profi Schaber besonders interessieren mussten, zu ihrem exemplarischen Beispiel, an dem sie das Thema "Nachhaltigkeit" aus Sicht von mittelständischen Familienunternehmen durchdeklinierte.

Komplexes, nie leicht zu bewältigendes Thema

Tenor: "Nachhaltigkeit" ist zwar zum einen ein extrem "komplexes", nie leicht zu bewältigendes Thema. Aber da Familienunternehmen in der Regel "für Generationen" (der eigenen Familie) planten und eher regional wie sozial agierten, seien sie bei der Verantwortung für "nachhaltige Entscheidungen und Produktionsprozesse" Shareholder-orientierten Unternehmen "weit voraus" – was sie zu einem echten Wettbewerbsvorteil ausbauen könnten.