Diskutieren von der Bühnenrampe aus mit den Zuschauern und Gästen im Theater Lindenhof (von links): Fatima und Rashad Yahia, Integrationsminister Manne Lucha, Intendant Stefan Hallmayer und Hassan Al Hussein. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder-Bote

Asylpolitik: Integrationsminister Manne Lucha diskutiert mit Darstellern und Zuschauern im Melchinger Theater Lindenhof

Bei seinem Besuch des Theaters Lindenhof hat sich der baden-württembergische Sozial- und Integrationsminister Manfred "Manne" Lucha für ein Einwanderungsgesetz und einen Stichtag für die Altfallregelung von Asylanträgen ausgesprochen.

Burladingen-Melchingen. Nur so könne die "Bugwelle" von Anträgen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor sich herschiebe, abgebaut und für die Flüchtlinge, die hier sind, die Zeit der Ungewissheit und des Wartens endlich beendet werden, so der Grünen-Politiker.

Lucha und seine Frau hatten sich zuvor die letzte Aufführung des Stücks "Wohin des Weges" angeschaut. Es war ein vielbeachtetes Theaterprojekt der Melchinger mit Flüchtlingen und ehrenamtlichen Helfern der Trochtelfinger Gesamtkirchengemeinde, wurde fast eineinhalb Jahre an vielen Spielstätten im Südwesten und im Lindenhof gezeigt. "Es war ein Stück Integration, das zu spielen", attestierte Lucha, lobte den Lindenhof für die Idee und die Flüchtlinge für ihre Bühnenleistung.

Viele Zuschauer waren nach der Aufführung geblieben, um dem Minister kritische Fragen zu stellen und mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen. Lucha sicherte den Fragestellern aus dem Zuschauerraum zudem zu, sich der Einzelfälle anzunehmen: "Immer wenn es rumpelt und hakelt, schickt es uns ins Ministerium". Über den "Flaschenhals Asylrecht" könne nicht alles geregelt werden. Deutschland brauche ein Einwanderungsgesetz.

Die Grünen-Kreisrätin Andrea Metzger aus Straßberg war die erste, die nach Eröffnung der Fragerunde ein drängendes Problem benannte und ein Beispiel aus ihrem Umfeld ins Gespräch brachte: Ein junger Asylbewerber, der eine Lehrstelle hätte haben können, sie wegen des ungeklärten Status aber nicht annehmen konnte und seit 2014 zum Nichtstun verurteilt sei. Und das, obwohl er längst sehr gut Deutsch spreche. "Ein Unding" findet Metzger und wollte von einem der Flüchtlinge wissen, wie sie es fanden, so lange in der Warteschleife zu hängen.

"Die ersten acht Monate waren sehr schwer", sagte der 27-jährige Revan Bilal aus dem syrischen Aleppo. Er hatte allerdings das Glück, in Trochtelfingen auf den engagierten Pfarrer Martin Rose und eine sehr rührige Kirchengemeinde zu treffen. Aber auch Roses Bemühungen, für seine Flüchtlinge einen Sprachkurs zu bekommen, wären erst einmal nicht von Erfolg gekrönt gewesen.

Dramaturg Franz Xaver Ott, der einzige Profischauspieler, der in "Wohin des Weges" auf der Bühne steht, berichtete zusammen mit Intendant Stefan Hallmayer, dass die Lindenhöfler bei den ersten Gesprächen mit jenen Flüchtlingen, die Rollen übernehmen wollten, erstaunt waren, wie viele Status es gebe – und dass nahezu jeder der neun Darsteller in seinem Pass einen anderen vermerkt habe.

Peter Braun, Teamleiter in der BruderhausDiakonie in Reutlingen und für Flüchtlinge engagiert, kritisierte ebenfalls die monate- oder gar jahrelange Untätigkeit, zu der junge Männer mit ungeklärtem Asylstatus per Gesetz verurteilt würden. Das Thema drohende Abschiebungen wurde ebenso hinterfragt wie die Ratlosigkeit so mancher kommunaler Behörden. "Ich bekomme keine Antworten, weil die auf dem Landratsamt auch nicht wissen, was die aktuelle Lage ist und die Mitarbeiter dort keine klare Auskunft vom BAMF kriegen", beschwerte sich eine der Betreuerinnen.

Eine andere Zuschauerin, in der Flüchtlingshilfe aktiv, fragte die beiden Schwestern Alaa und Fatima Yahia aus Syrien nach ihren Wünschen für die Zukunft. "Eine gute Lehrstelle, einen Arbeitsplatz", war die Antwort der Schwestern und auch, dass sie sich nicht immer für das Tragen ihre Kopftuches rechtfertigen wollen. Ihr Bruder, der 27-jährige Rashad Yahia, betonte, dass es doch keine Rolle spiele ob sie Christen, Moslems oder Juden seien. "Wir sind Menschen". Der Kurde Hassan al Hussein berichtete von seinen Alltagserfahrungen im kleinen Ort Mägerkingen. "Die Menschen sind nett, echt nett. Und das, obwohl unser Deutsch am Anfang gar nicht gut war."

Integrationsminister Lucha betonte, dass von den jüngsten Abschiebungen in Baden-Württemberg nur auffällig gewordene Straftäter betroffen gewesen seien und dass es derzeit gelte, im politischen Spannungsfeld zwischen nahender Bundestagswahl und aufkommendem Rechtspopulismus keine Symbolpolitik wegen der Wählerstimmen zu betreiben sondern einen "klaren und ruhigen Kopf" zu bewahren. Ängste in der Bevölkerung gelte es ernst zu nehmen. Aber Asylrecht, Rückführung und später die Aufbauhilfe in den jetzt von Bürgerkriegen und militärischen Auseinandersetzungen betroffenen Ländern sei und bleibe ein "zähes Ringen".