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Carola Schwelien und Ida Ott reißen aus – und ihr Publikum hin

Von Erika Rapthel-Kieser

Szenenapplaus und viel Beifall gab es für die Premiere des Stücks "Die Ausreißerinnen" am Theater Lindenhof in Melchingen. Regisseur Siegfried Bühr hat das Zwei-Frauen-Stück mit Ida Ott und Carola Schwelien mit sicherer Hand in Szene gesetzt.

Burladingen-Melchingen. Lebedame mit vielen Liebhabern trifft frustrierte Familienfrau mit Nachholbedarf – da sind die Lacher programmiert. Und dass es in dem Stück der beiden Franzosen Pierre Palmade und Christophe Duthuron nicht bei oberflächlicher Slapstick-Komik blieb, ist vor allem ein Verdienst der beiden routinierten Schauspielerinnen Ida Ott und Carola Schwelien.

Sie brachten die unterschiedlichen Ecken und Kanten ihrer Figuren so authentisch über die Bühne, dass sich ins Lachen über das Leben und die Liebe auch immer mal wieder wissendes Verstehen mischte.

Für die eine, Monique, Familienfrau in den Vierzigern, ist Leben Hingabe. An den Mann, an die Tochter und an alle damit verbundenen Aufgaben, die die Familie an die Hausfrau und Mutter so stellt. Just am 18. Geburtstag ihrer Tochter hat die Selbstaufgabe ein Ende. Monique kann die Undankbarkeit nicht länger ertragen, legt einen Zettel mit der Aufschrift "Scheiße" auf das Bett ihrer Tochter und haut mit Rucksack und schweren Reisetaschen einfach ab.

Die 80-Jährige Claude kommt da schon wesentlich leichter daher. Mit einem unauffälligen "Tschüss, bis später dann", hat sie sich, den Pelzmantel über dem Nachthemd und die Krokotasche über dem Arm, einfach aus dem Altersheim verabschiedet in das ihr Sohn sie gesteckt hatte. Liebe, das heißt für Claude intensiv leben und den Moment genießen – und trotz der Ehe eben auch die wechselnden Affären. Dankbarkeit erwartet sie kaum von ihren Mitmenschen, denn sie gibt ihnen nicht wirklich viel Anlass dafür.

Während Monique und Claude gemeinsam trampen, Abenteuer bestehen und sich immer mehr von ihrer Lebensgeschichte erzählen, trifft in den pointieren Dialogen Hingabe auf Selbstbestimmung, Egoismus auf Altruismus und das rückt in beider Leben die aus den Fugen geratene Ausgewogenheit wieder etwas zurecht. Bewegend der Moment, wenn die 80-Jährige Claude (Carola Schwelien) vom Tod ihres Mannes erzählt und dass sie danach ins Altersheim gesteckt wurde, weil sie "als nächstes dran ist mit dem Sterben". Aber auch die Szene, in der Monique (Ida Ott) ihren Frust über das zu Wenig an Achtung und Aufmerksamkeit für all ihre Familienarbeit einfach herausschreit.

Von Claude lernt Monique, die Dinge anders anzugehen. Warum nicht am Grab der Freundin ein Picknick machen, um an sie zu denken, warum die Verhaftung wegen Einbruchs nicht als großes Abenteuer betrachten? Die vollgepackten Taschen von Monique, deren Inhalt Claude einfach so wegschmeißt, werden da zum Symbol für das Ballastabwerfen ohne dass ein leichteres Leben eben nicht gelingen kann.

Das ebenso simple wie wirkungsvolle Bühnenbild ist nicht nur tourneetauglich, sondern auch ein Meisterstück in Sachen Beleuchtung. Wie Regisseur Siegfried Bühr und die Bühnentechniker vor einem einfachen, leinwandgroßen Stoffstück mit Farben und Schattenspiel-Einlagen Räume und Spielflächen entstehen lassen ist beeindruckend. Und es hilft den Zuschauern, sich auf die Interaktion der beiden Schauspielerinnen zu konzentrieren.

Zum Abschluss gehen Monique und Claude im Camper auf Reisen. Und Ida Ott und Carola Schwelien touren jetzt als "Ausreißerinnen" durch den Südwesten. Viel Glück euch Vieren – ihr macht das schon richtig!