Im Kreuzfeuer der Kritik: der Burladinger Bürgermeister Harry Ebert. Foto: Eyrich

Dörte Conradi und Alexander Schülzle treten zurück. "Unverschämt" und "populistisch".

Burladingen - Ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergeht, wollten Dörte Conradi und Alexander Schülzle – und sind am Donnerstagabend von ihren Ämtern als Fraktionschefs zurückgetreten. Der Grund: Äußerungen von Bürgermeister Harry Ebert.

Der Eklat kam unter "Sonstiges": Die Fraktionschefin der CDU im Burladinger Gemeinderat und ihr Kollege von den Freien Wählern, Dörte Conradi und Alexander Schülzle, wollen nicht weiter "Bindeglied" sein, wie Schülzle es formulierte, zwischen den Fraktionen und Bürgermeister Harry Ebert angesichts seiner jüngsten Äußerungen im Internet-Netzwerk Facebook – auch und vor allem über den Gemeinderat.

Eberts "nazistische und rechtspopulistische Äußerungen" seien "mehr als fraglich", so Schülzle. Persönlich finde er sie gar "unerträglich". Zum Parteiprogramm der AfD, für deren Haltung zur Flüchtlingsfrage Ebert wiederholt Sympathie geäußert hatte, sagte Schülzle: Selbst Edda Schmidt aus Bisingen, ein "Urgestein der NPD", beklage, dass die AfD das Parteiprogramm der NPD kopiere und aktuell jene Bedeutung habe, die der NPD zukomme.

Eberts aktuelle Äußerungen auf Facebook zum Besuch des Burladinger Gemeinderats in einer Hechinger Unterkunft für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge seien "gespickt mit Verbalattacken gegen den eigenen Gemeinderat", so Dörte Conradi. Sie halte diese für "völlig inakzeptabel und unerträglich". Wie Ebert sich äußere – "als unser Stadtoberhaupt" – habe entsprechende Wirkung. Dass er sich so "abfällig" geäußert habe – als Beispiel nannte sie seine Bezeichnung "Armleuchterprojekt" für eine Einrichtung, die sie selbst ein "Leuchtturmprojekt" genannt hatte – verstehe sie nicht, so Conradi. "Es hätte Ihnen gut zu Gesicht gestanden, dort hin zu fahren und sich darüber zu informieren."

"Sie haben einen Eid geschworen"

Sie halte es für "unsere christliche und humanitäre Pflicht", jenen Schutz zu bieten, die vor Krieg und Terror fliehen, so Conradi weiter. "Natürlich darf man nicht die Augen verschließen vor den damit verbundenen Problemen. Trotzdem bin ich der Meinung: Wer, wenn nicht Deutschland, ist in der Lage, diese Herausforderung zu schultern?!"

Den Bürgermeister erinnerte sie an den Eid, den er geschworen habe: zum Wohle der Stadt sein Amt auszuüben und Schaden von ihr abzuwenden. Nun allerdings sei "unbestritten", dass das Ansehen Burladingens deutlich gelitten habe. Dabei sei nicht nur ein Imageschaden entstanden: "Sie schaden auch der künftigen Entwicklung. Es kann nicht sein, dass dies das eine oder andere Projekt ins Wanken bringt."

Heftige Kritik übte Conradi am Umgang Eberts mit den Gemeinderäten: Sie hätten in den vergangenen Jahren vieles auf den Weg gebracht, und nicht immer sei die Arbeit im Gremium harmonisch gewesen. "Das gehört auch manchmal dazu." Nun aber sei ein Punkt erreicht, an dem es so nicht weiter gehe: "Ich finde es eines Bürgermeisters nicht würdig, seine Gemeinderäte zu verspotten und zu diffamieren. Mit solchen despektierlichen Äußerungen lassen Sie den Respekt gegenüber den ehrenamtlich tätigen Räten vermissen."

Die Kommunalaufsicht soll prüfen

CDU und Freie Wähler seien sich einig, "dass wir diese Punkte auch der Kommunalaufsicht zur Prüfung geben müssen", stellte Conradi klar. "Persönlich denke ich, dass Sie eine deutliche Grenze überschritten haben." Für sie sei es deshalb an der Zeit, persönlich die Konsequenzen zu ziehen: "Für mich ist die Grenze erreicht. Das Fass ist voll." Nach mehr als 15 Jahren als Fraktionschefin lege sie deshalb ihr Amt nieder. Das solle auch ein Signal sein: dass man so nicht mit dem gewählten Gremium umgehen dürfe.

Klaus Ritt (CDU) war der nächste, der sich über Eberts "Verunglimpfungen" echauffierte, über dessen "Lächerlichmachen unseres ehrenamtlichen Tuns". Aufgrund seines Alters mache er deshalb von seinem Recht Gebrauch, einen Antrag zu stellen, um aus dem Amt des stellvertretenden Bürgermeisters entlassen zu werden.

Armin Schweitzer (Freie Wähler) kritisierte "Form und Stil" Eberts: "Es ist infam, diffamierend, respekt- und niveaulos, wenn das Ortsoberhaupt die Gemeinderäte beleidigt", ohne deren Mitarbeit ein Bürgermeister machtlos sei. Ihn verbinde zwar eine Freundschaft mit Harry Ebert, "aber das war des Guten zu viel", so Schweitzer. Wäre Ebert Angestellter einer Firma, würde er für solche Äußerungen eine Abmahnung kassieren. Der Gemeinderat müsse daher "unserem Stadtoberhaupt eine nachhaltige Rüge erteilen".

In der Sache zeigte Schweitzer freilich Sympathie für Eberts Äußerungen zum Umgang mit Flüchtlingen, erklärte, dass es hierzulande Menschen gebe, die "mit Frostbeulen" in unterbeheizten Wohnungen leben müssten, weil sie sich die Heizkosten nicht leisten könnten. Um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, "die wir nicht gerufen haben", werde hingegen "ein Getöse" gemacht, so Schweitzer: "Hört endlich auf mit dieser sozialen Mitleidsduselei."

Den Bürgermeister bat Schweitzer für die Zukunft um einen respektvolleren Umgang mit dem Gemeinderat. Dessen Delegation in der Hechinger Flüchtlingsunterkunft warf er "eine gewisse Feigheit" vor, weil sie Kameras und Mikrofone nicht dabei haben wollten: "Wer ›hü‹ sagt, muss auch ›hott‹ sagen."

Kuster: Die Gräben sind zu groß

Ebert habe dafür gesorgt, dass Burladingen negative Schlagzeilen gemacht habe, warf ihm Ottmar Kuster (CDU) vor. Die Gräben zwischen ihm und dem Gemeinderat seien groß und nur schwer zu kitten. Als Höhepunkt habe Ebert die ehrenamtlich tätigen Gemeinderäte "aufs Übelste verspottet". Kuster forderte Ebert unmissverständlich auf: "Treten Sie von Ihrem Amt zurück."

Erwin Straubinger (CDU) verteidigte das Recht des Gemeinderats, sich unabhängig über die Arbeit einer Einrichtung für Flüchtlinge zu informieren. Das Gremium dafür "pauschal zu beleidigen", sei "nicht hinnehmbar". Er sei davon ausgegangen, "dass wir konstruktiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten" – Eberts Verhalten mache das "zunehmend schwieriger".

Mutschler kämpft mit den Tränen

Auch er sei "Gott sei Dank in Hechingen dabei" gewesen, erklärte Friedemann Mutschler (CDU): "Für mich war beeindruckend, welch gute Arbeit dort geleistet wird." Das Gemeinwesen werde davon profitieren, auch wenn jetzt dadurch Kosten entstünden. "Und dann müssen wir uns in verachtender Weise sagen lassen, dass wir ehrlos seien, dass wir auf Asylantenschau seien wie im Zoo", so Mutschler, der stellenweise mit den Tränen kämpfte und um Fassung rang. "Landeier" habe Ebert die Gemeinderäte genannt. Dabei stehe ein Amt wie seines für Vorbild und Anstand. "Das trifft hier nicht zu." Der Bürgermeister beleidige die Räte und setze deren Familien herab – sowohl er selbst als auch Mitglieder seiner Familie seien daraufhin in der Öffentlichkeit als "Landeier" tituliert worden.

Ebert wolle die Räte belehren, wie sie mit der Presse umgehen sollten. "Wer hat denn seit Jahren ein gespaltenes Verhältnis zu ihr?", fragte Mutschler, der sich überdies fragt, was Ebert mit seinen Äußerungen bezwecke. Sie schadeten der Stadt und ihrer Entwicklung "kolossal". Den Bürgermeister forderte Mutschler auf: "Entschuldigen Sie sich bei meinen Kollegen und bei den Bürgern und halten Sie Ihr Wort ein, das Sie bei der Wiederwahl gegeben haben."

Harry Ebert erklärte mit Blick zu Alexander Schülzle und Dörte Conradi: "Wir hatten einen Deal miteinander": dass beide nach der "Amtsblattgeschichte" sich dazu nicht mehr öffentlich äußern sollten und er dafür einen Teil seines Berichts im Amtsblatt über ein Zusammentreffen mit dem AfD-Abgeordneten Hans-Peter Stauch abändere. "Ich habe meinen Teil eingehalten. Und was macht der Gemeinderat? Geht ins Asylantenheim und lädt die Presse dazu ein." Da sei zu erwarten gewesen, "dass die alte Geschichte wieder hochgekocht wird – und dann wundert man sich, dass ich dazu einen Kommentar abgebe". Dass er in Inhalt und Stil scharf formuliere, sei man von ihm gewohnt, so Ebert. "Ich bin schon immer ein Mann der klaren Worte gewesen, und natürlich werde ich mich weiter zur Asylantenproblematik äußern. Wenn ich es nicht tue – wer soll es denn dann tun?" – eine Aussage, der Gelächter aus den Zuschauerreihen folgte.

Zur "Landeiproblematik" betonte Ebert, er habe damit nur anders formuliert, was in einem Zeitungskommentar zur Veranstaltung über die Gemeinderäte gestanden habe.

"Aber es kommt auf die Art der Formulierung an", kommentierte Rosi Steinberg. "Was bilden Sie sich eigentlich ein? Glauben Sie, wir machen solche Aktionen, um Sie zu ärgern?" Dörte Conradi sprang ihr zur Seite: "Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie uns hier nicht mehr erlauben können, uns zum Thema Flüchtlinge zu informieren." Das werde das Gremium auch weiterhin tun.

Auch die Vize-Chefs legen ihre Ämter nieder

Im Gegenzug sei es Ebert unbenommen, sich zur Flüchtlingspolitik zu äußern – sachlich und fundiert. Seine Äußerungen jedoch seien "populistisch und hetzerisch" und schürten "die gängigen Vorurteile". Das schade dem Ansehen der Stadt und ihrer weiteren Entwicklung. Mit dem, was Ebert auf Facebook geschrieben habe, sei die "Grenze des guten Anstands überschritten".

Sowohl Conradi als auch Schülzle wollen im Gemeinderat bleiben und den Auftrag ihrer Wähler wahrnehmen. Nachfolger für die beiden Fraktionschefs gibt es noch nicht. Bei den Freien Wählern legten auch die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Rosi Steinberg und Daniel Deuringer ihre Vize-Posten nieder. Nachfolger gibt es bisher auch für sie nicht.