Medizinexperten sehen Tendenz weg von der selbstständigen Einzelpraxis

Von Erika Rapthel-Kieser

Burladingen. "In den nächsten Jahren werden 500 Hausärzte in Baden-Württemberg keinen Nachfolger finden." Armin Rössner, Fachreferent der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, der in der Sitzung des Burladinger Gemeinderates am Dienstag referierte, ließ keinen Zweifel: Um die ärztliche Versorgung zu sichern, müssen künftig auch die Kommunen aktiv werden und sich dem Thema widmen.

Junge Mediziner stellen sich ihren Arbeitsplatz deutlich anders vor, als es die Praxis des Hausarztes, der als Kleinunternehmer agierte, in einer Gemeinde als Einzelkämpfer arbeitete und nicht selten eine 60-Stunden-Woche hatte, gewesen ist. Viele wollen in Teilzeit arbeiten, scheuen die Selbstständigkeit und wären lieber angestellt. Vor allem: Sie wollen im Team arbeiten. "Klinikähnliche Bedingungen", wie sie in einem Gesundheitszentrum geschaffen werden können, könnten junge Ärzte eher anlocken, ist sich Rössner sicher. Praxisräume müssen daher so geplant werden, dass zwei oder drei Ärzte parallel oder zeitversetzt in wechselnden Schichten darin arbeiten können.

Kritik an Rössner aus eigenen Reihen

Rössner musste sich allerdings auch Kritik aus den Reihen der Burladinger Räte anhören. Josef Pfister (CDU) bemängelte die Politik der kassenärztlichen Vereinigung. Die Budgetierung sei schuld daran, dass Ärzte einfach zu wenig verdienen. Zwanzig Euro für einen Hausbesuch, zumal im ländlichen Raum, sei einfach lächerlich. CDU-Sprecherin Dörte Conradi warf der KV unverhohlen vor, ihren Job nicht gemacht zu haben und jetzt die Kommunen einspringen zu lassen. "Was tun sie um die flächendeckende Versorgung zu sichern?" fragte sie und betonte, dass genau das die originäre Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung sei. Statt steuernd einzugreifen, habe man sich "vielleicht ein bisschen arg zurückgelehnt", kritisierte Conradi.

Mut machte den Räten der junge Aichwalder Bürgermeister Nicolas Fink. Sein Gemeinderat habe nicht einmal darüber diskutiert, das Ärztehaus von Investoren bauen zu lassen, sondern die Sache gleich selbst in die Hand genommen. "Die waren deutlich mutiger, als wir von der Verwaltung", attestierte er seinen Räten. Allerdings war Aichwald unverschuldet und hatte hohe Rücklagen. Das Ärztehaus stehe jetzt kurz vor der Vollendung und sei quasi komplett vermietet. In den nächsten Wochen werde der letzte Mietvertrag unterschrieben. Den Aichwaldern sei es vor allem darum gegangen, den Bestand zu sichern. Keiner der Mediziner, die mit Herzblut am Bau des Ärztehauses mitgeplant hätten, ziehe selbst darin ein, es seien jüngere, die die Plätze einnehmen. Die Stadt Aichwald stehe hundertprozentig hinter dem Projekt, mit der Kommunalaufsicht sei geklärt, dass Aichwald den Medizinern die geringste Miete berechne. "Der nächste Schritt wird sein, dass die Kommunen den Medizinern Räume gratis zur Verfügung stellen und der übernächste, dass sie Ärzte anstellen", prophezeite Fink.